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11 - Menschheitsdämmerung

11 - Menschheitsdämmerung

Titel: 11 - Menschheitsdämmerung
Autoren: Oliver Fröhlich
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irgendwoher das Läuten von Kirchenglocken. In der gleichen Sekunde stoppte der Regen, als hätte jemand den Hahn zugedreht. Auch das Tosen des Winds verstummte.
    Die Indios sahen sich ratlos an.
    Auch Tom blickte sich verwirrt um. Maria Luisa wusste, warum: Er gab die Schuld an dem Unwetter dem Wirken der Weltuntergangsmaschine. Was war geschehen, dass es plötzlich aussetzte?
    Die restlichen Logenmitglieder kamen aus Wohnmobil und Lieferwagen und versammelten sich einige Meter von den Delinquenten entfernt. Sie redeten aufeinander ein. Maria Luisa zählte acht Personen, ihre beiden Bewacher nicht eingerechnet.
    »Glaubt nur nicht, dass sich für euch etwas ändert«, stellte Pauahtun klar.
    Ein Sirren wie von einem Insekt ertönte aus seinem Jackett. Er fluchte und holte ein Handy hervor. Nach einem kurzen Blick auf das Display nahm er das Gespräch an.
    »Ja!«, bellte er in das Telefon. »Warte!« Er reckte Bolontiku das Gerät entgegen. »Kümmere du dich darum. Ich habe Wichtigeres zu tun.«
    Mit diesen Worten richtete er die Mündung der Pistole auf McDevonshires Stirn.
    ***
    Gedanken eines Toten
    Schon als ich noch lebte, war ich anders als die anderen. Das begreife ich nun. Und das hat sich nicht geändert, auch wenn ich jetzt tot bin.
    Der Todesengel hat mich ins Leben zurückgeholt. Aber was ist das für ein Leben? Zu wissen, dass einem nur wenige Tage geschenkt sind, bis der letzte Funke im Gehirn erlischt, bis der Körper endgültig verfällt. Die Allgegenwärtigkeit des Todes zu spüren, der einen längst in den Klauen hält.
    Der weiße Todesengel gibt mir Befehle und stellt mir Fragen. Ich fühle, dass er eine Antwort erwartet. Dass er davon ausgeht, dass ich gar nicht anders kann, als zu antworten. Aber das stimmt nicht. Es fällt mir schwer, aber wenn ich mich anstrenge, kann ich widerstehen. Liegt das daran, dass ich schon während meines Lebens anders war?
    Ich weiß es nicht. Es spielt auch keine Rolle. Denn es strengt viel zu sehr an, zu widerstehen. Also tue ich, was man mir befiehlt. Und warte, dass der Tod mich endgültig zu sich holt.
    Doch dann ändert sich alles! Die Schergen des Todesengels befehlen mich aus dem fahrbaren Haus. Und da steht sie: Maria Luisa. Meine Maria Luisa!
    Als ich auf sie zugehe, fühle ich die gesplitterten Knochen in mein Fleisch dringen. Es tut nicht weh. Ich empfinde keine Schmerzen mehr.
    Aber die Qual, die ich in Maria Luisas Augen erkenne, die kann ich sehr wohl spüren.
    Ich sehe, dass die Indios ihr wehtun wollen. Ihr und Tom. Und einem anderen Mann, den ich nur einmal kurz gesehen habe. Bei den großen Steinen. Bei dem Tor in den unendlichen Raum. Damals, als ich noch lebte.
    So schnell mein verfallender Körper es erlaubt, gehe ich zu Tom und sage ihm alles, was er wissen muss.
    Einer zerrt mich weg, schreit mich an, doch es schert mich nicht. Denn plötzlich höre ich die Glocken. Die echten Engel rufen mich. Der Regen hört auf und auch der Wind.
    In diesem Augenblick weiß ich, dass sich alles zum Guten wenden wird.
    Der Scherge mit der Glatze zieht ein Telefon aus der Jacke und spricht hinein. Er reicht es dem anderen. Dem, der mich angeschrien hat. Der nimmt es entgegen und geht damit zu den anderen. Sie reden, gestikulieren, sind aufgebracht. Hören auch sie die Glocken? Erkennen sie, dass sie nicht gewinnen können?
    Als der Indio mit der Glatze die Waffe auf den großen Mann richtet, weiß ich, was ich zu tun habe. Auch wenn es mich anstrengt, ich muss es tun.
    Ich muss widerstehen!
    Ich werfe mich nach vorne, sehe das verdutzte Gesicht des Schergen und reiße ihn zu Boden. Mit der Linken drücke ich seine Waffenhand ins Gras. Ich bin schwerer als er. Und ich fühle keine Schmerzen, als er versucht, mich von sich wegzustoßen.
    Die rechte Hand presse ich ihm auf den Mund, damit er nicht schreien kann. Ich sehe zu Maria Luisa, die mich mit ungläubigem Blick anstarrt.
    »Lauft«, sage ich. »Lauft weg.«
    Die Zähne des Schergen graben sich in meine Handfläche, reißen totes Fleisch heraus. Es tut nicht weh und ich drücke weiter zu.
    Maria Luisa macht einen Schritt auf mich zu. Ich schüttele den Kopf. Wenn sie jetzt nicht fliehen, war alles vergebens.
    »Lauft«, sage ich wieder. Und: »Vergiss mich nicht.«
    Ich schiebe einen Finger hinter den Abzug der Waffe, dass der Engel nicht schießen kann. Doch da sehe ich, wie sich die ersten der anderen Indios zu uns umdrehen.
    Und endlich laufen sie.
    Ich höre Flüche. Und Schüsse. Doch Maria Luisa
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