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11 Love Storys von Anhaltern und anderen Unwaegbarkeiten

11 Love Storys von Anhaltern und anderen Unwaegbarkeiten

Titel: 11 Love Storys von Anhaltern und anderen Unwaegbarkeiten
Autoren: Sissi Kaipurgay
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um den Laden zu verlassen.
    „Morgen“, entfährt ihm vor Schreck.
    „Hallo Chris“, sage ich und lächle ihm zu.
    Seine Miene wird glatt, seine Mundwinkel gleiten nach unten. Mit einem kurzen Schnauben geht er an mir vorbei und die Türglocke läutet als er den Laden verlässt..
    Der Tag ist wie verhext. Nachmittags treffe ich ihn an der Supermarktkasse. Automatisch scanne ich den Inhalt seines Einkaufswagens. Alles Tiefkühlgerichte, geeignet für einen Single. Chris kocht für sein Leben gern, aber nicht für sich allein. Ich fixiere seinen Hinterkopf und brenne zwei Löcher durch seine Schädeldecke. ‚Guck mich an‘, hinterlasse ich in Leuchtbuchstaben. Chris legt seelenruhig seine Waren aufs Fließband.
    Meine mentalen Fähigkeiten sind begrenzt, also benutze ich meine Stimme. Die will aber nicht, ist wie gelähmt und verkriecht sich in meiner Kehle, schützend die Hände vors Gesicht geschlagen. Miststück.
    „Verfolgst du mich?“, murmelt Chris ohne den Kopf zu wenden.
    „Nein“, krächze ich.
    „Sieht aber so aus“, sagt er und wirft mir einen finsteren Blick zu.
    „Sorry“, quetsche ich heraus, aber es klingt eher wie ‚shurry‘, was mir einen amüsierten Blick der Kassiererin einbringt.
    Chris wartet am Ausgang auf mich. Zwei prall gefüllte Plastiktüten lehnen an der Wand neben ihm. Ich trotte auf ihn zu und wage nicht, ihm in die Augen zu schauen. Mein Herz hat einen ungesunden Rhythmus aufgenommen, den ich nicht begünstigen möchte.
    „Pass mal auf“, sagt er und verschränkt die Arme vor seiner Brust. „Hör auf, mir hinterherzulaufen. Es ist vorbei. Verstanden?“
    Ich nicke und sehe jetzt doch hoch. Chris grüne Augen funkeln und brennen nun ihrerseits ein Loch in mein Gehirn. Dort steht in dicken, leuchtenden Buchstaben: ‚Du kommst zu spät‘. Ja, klasse, als wenn ich das nicht schon begriffen hätte. Ich nicke, schlucke und senke meine Wimpern.
    „Ich hab‘s begriffen. Leb wohl“, flüstere ich.
    „Genau. Leb wohl, Julius“, sagt Chris und bleibt stehen.
    „Dann…geh ich jetzt“, sage ich.
    „Genau. Ich auch“, murmelt er.
    „Tschüss. Ich wünsch dir ein schönes Leben“, wispere ich und sehe hoch.
    „Wünsch ich dir auch“, flüstert Chris, und für einen winzigen Moment blitzt Sehnsucht auf. Mein Herz stolpert, ich auch, als ich an ihm vorbeirenne und den Weg zu meiner Wohnung im Sprint zurücklege. Meine Füße haben sich verselbständigt. Ich will gar nicht weg, könnte ewig in diesem Supermarkt stehen und Chris ansehen. Gut, irgendwann wäre Ladenschluss, aber das Wetter ist mild. Wir hätten vor der Tür weitermachen können. Womit? Damit, uns zu verabschieden.
    Ich kann keinen Abschied nehmen, obwohl die Trauer in meinem Herz für zehn ausgereicht hätte. In meiner Wohnung angekommen packe ich die Einkaufstasche aus und gucke auf den Kalender. Wir schreiben heute den vierten April, morgen ist der fünfte. Irgendjemand hat dort was hin gekritzelt. Ich trete näher und beuge mich vor. ‚Geburtstag Chris‘. Eine andere Zeit, ein anderes Universum. Eines, in dem wir im Liebestaumel geglaubt haben, wir würden ewig zusammenbleiben.
    Ich sehe uns in der Küche. Chris, kichernd, nimmt einen Stift und schreibt etwas auf den Kalender. Er dreht sich um und lächelt mich an. ‚In drei Monaten werde ich siebenundzwanzig‘ sagt er, und wirft den Schreiber auf den Tisch. Ich ziehe ihn lachend in meine Arme und lehne mich an ihn. ‚Dann sind wir fast vier Monate zusammen“, sage ich.
    Schnitt. Nein. Alles ist vorbei. Jetzt stehe ich hier, drei verdammte Monate später, und spüre, wie in mir der Kampfgeist erwacht. Es ist nichts vorbei, außer, ich lass es zu. Entschlossen greife ich nach der Schürze, binde sie mit einem grimmigen Lächeln um und reiße anschließend alle Schränke auf. Verdammt, wo ist der Mixer?
    Christoph
    Mein Herz rammt gegen meine Rippen. Die Begegnung mit Julius hat mich atemlos gemacht. Erst heute Morgen beim Bäcker – jetzt das hier. Ich nehme die Einkaufstüten hoch und schleppe sie nach Hause. Was für ein Zuhause ist das aber? Es ist leer und kalt. Als ich die Einkäufe auspacke und verstaue fällt mir ein, wie ich, nur mit Julius lächerlicher Schürze bekleidet, an seinem Herd stand und Bratkartoffeln zubereitete.
    „Süßer, was wird das?“, raunt Julius in mein Ohr und schult mir neugierig über die Schulter.
    „Bratkartoffeln, aus echten Erdäpfeln“, sage ich und muss grinsen.
    Julius‘ Hand hat sich unter die Schürze
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