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11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens
Autoren: Karl May
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müsse. Ich bin also sehr begierig, der Unterhaltung beizuwohnen.“
    Jemmy zuckte verächtlich die Achsel und wendete sich zu dem Indianer.
    Dieser hatte mit halbgeschlossenen Augen dagelegen und mit keinem Blick, keiner Miene verraten, ob er von dem Gespräch ein Wort verstehe. Er war noch jung, ganz so, wie der Dicke gesagt hatte, vielleicht achtzehn Jahre alt. Sein dunkles, schlichtes Haar war lang; keine Frisur zeigte an, zu welchem Stamm er gehörte. Das Gesicht war nicht bemalt, und sogar die Scheitellinie seines Kopfes war nicht mit Ocker oder Zinnober gefärbt. Er trug ein weichledernes Jagdhemd und hirschlederne Leggins, beide an den Nähten ausgefranst. Zwischen diesen Fransen war kein einziges Menschenhaar zu sehen, ein Zeichen, daß der junge Mann noch keinen Feind getötet hatte. Die zierlichen Mokassins waren mit Stachelschweinsborsten geschmückt, ganz wie Jemmy vermutet hatte. In dem roten Zeugstück, welches er als Gürtel um die Hüften geschlungen hatte, war keine Waffe zu sehen; aber drüben am jenseitigen Ufer, wo das Pferd sich jetzt wieder aufgerichtet hatte und das Wasser des Baches mit Begierde zu schlürfen begann, lag ein langes Jagdmesser und am Sattel hing ein mit Klapperschlangenhaut überzogener Köcher und ein Bogen, welcher aus den Hörnern des Bergschafes verfertigt war und vielleicht den Preis von zwei oder drei Mustangs hatte.
    Diese einfache Bewaffnung war ein sicherer Beweis, daß der Indianer nicht in feindlicher Absicht in diese Gegend gekommen war. Sein Gesicht war in diesem Augenblick ohne allen Ausdruck. Der Indsman ist zu stolz, vor Fremden oder gar Feinden seine Gefühle merken zu lassen. Seine Züge waren noch jugendlich weich. Die Backenknochen traten zwar ein klein wenig hervor, doch tat dies der Physiognomie nicht den mindesten Eintrag. Als Jemmy jetzt zu ihm trat, öffnete er zum erstenmal die Augen vollständig. Sie waren schwarz wie glänzende Kohle, und ein freundlicher Blick aus ihnen traf den Jäger. „Mein junger roter Bruder versteht die Sprache der Bleichgesichter?“ fragte der Jäger.
    „Ja“, antwortete der Gefragte. „Woher weiß dies mein älterer weißer Bruder?“
    „Ich sehe an dem Blick deines Auges, daß du uns verstanden hast.“
    „Ich habe gehört, daß du ein Freund der roten Männer bist. Ich bin dein Bruder.“
    „Will mein junger Bruder sagen, ob er einen Namen hat?“
    Eine solche Frage ist für einen älteren Indianer eine schwere Beleidigung, denn wer noch keinen Namen hat, der hat noch nicht durch irgendeine Tat seinen Mut bewiesen und wird nicht zu den Kriegern gerechnet. Bei der Jugend dieses Gefangenen aber konnte Jemmy sich diese Frage erlauben. Dennoch antwortete der Jüngling:
    „Meint mein guter Bruder, daß ich feig bin?“
    „Nein, doch bist du ja noch zu jung, als daß du ein Krieger sein könntest.“
    „Die Bleichgesichter haben die roten Männer gelehrt, bereits jung zu sterben. Mein Bruder mag mir das Jagdhemd auf der Brust öffnen, um zu erfahren, daß ich einen Namen besitze.“
    Jemmy bückte sich nieder und nestelte das Jagdhemd auf. Er zog drei rotgefärbte Federn des Kriegsadlers hervor.
    „Ist's möglich!“ rief er aus. „Ein Häuptling kannst du doch nicht sein!“
    „Nein“, lächelte der Jüngling. „Ich darf die Federn des Mah-sisch tragen, weil ich Wohkadeh heiße.“
    Diese beiden Worte gehören der Mandanersprache an; das erste heißt Kriegsadler, und das letztere ist der Name für die Haut eines weißen Büffels. Da die weißen Büffel aber höchst selten sind, so gilt das Erlegen eines solchen bei manchen Stämmen mehr als das Töten mehrerer Feinde und berechtigt sogar zum Tragen der Federn des Kriegsadlers. Der junge Indianer hatte einen solchen Büffel erlegt und infolgedessen den Namen Wohkadeh erhalten.
    Das war an und für sich nichts Seltsames; nur erstaunten Davy und Jemmy darüber, daß der Name der Mandanersprache entnommen war. Die Mandans gelten für ausgestorben. Darum fragte der Kleine:
    „Welchem Stamm gehört mein roter Bruder an.“
    „Ich bin ein Numangkake und zugleich ein Dakota.“
    Numangkake nannten sich die Mandans selbst, und Dakota ist der Sammelname aller Siouxstämme.
    „So bist du von den Dakota angenommen worden?“
    „So, wie mein weißer Bruder sagt. Der Bruder meiner Mutter war der große Häuptling Mah-to-toh-pah. Er trug diesen Namen, weil er vier Bären auf einmal getötet hatte. Die weißen Männer kamen und brachten uns die Blattern. Mein ganzer Stamm
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