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109 - Die Atemdiebin

109 - Die Atemdiebin

Titel: 109 - Die Atemdiebin
Autoren: Bernd Frenz
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nicht so recht glauben, ließ sich aber doch überreden, einmal nachzusehen. Schon allein, weil in diesem Computer wichtige Daten über das Experiment schlummern mochten, dem sie zum Opfer gefallen war.
    Als Shaw das Bedienungspad berührte, verschwand das Standbild und er erlebte eine echte Überraschung. Plötzlich starrte ihm nämlich Amelies Ebenbild entgegen, allerdings mit einer beigen Uniform bekleidet und ohne ein einziges Haar auf dem Kopf.
    »Hallo, ich bin Lieutenant Amelie Peringon«, stellte sich die Techno auf dem Bildschirm vor, »und hier, um Geschichte zu schreiben.« Kichernd hielt sie sich eine Hand vor den Mund.
    »Ach, hört auf, dass kann ich doch nicht wirklich sagen.«
    Aufmunternde Rufe aus dem Hintergrund belehrten sie eines Besseren. Die Kamera schwenkte herum und zeigte einige Männer und Frauen älteren Semesters in ordengeschmückten Paradeuniformen. Amelie wiederholte ihren Spruch und blieb diesmal ernst. Danach gab es einen harten Schnitt. Die Szene wechselte zu einem Krankenbett, in dem sie mit leicht verkniffenem Gesicht lag, weil ihr eine Spritze verabreicht wurde.
    »Tut weh«, sagte sie in die Kamera hinein. »Muss aber sein.«
    Der Mediziner, der sie behandelte, trug einen Schutzanzug.
    Oberhalb der rechten Brustseite prangte ein Namensschild mit der Aufschrift »Prof. Hubinon«. Vorsichtig tupfte er die Einstichstelle mit einem Desinfektionsmittel ab und wandte sich dann der Kamera zu. »Tag zwei im Außenlabor«, erklärte er. »Die Patientin befindet sich in ausgezeichneter physischer Verfassung und die verabreichten Nanobots werden bislang nicht abgestoßen.«
    Danach folgten mehrere kurze Sequenzen, in denen Amelie bei verschiedenen Leistungstest, zum Beispiel auf dem Laufband gezeigt wurde. Die Aufnahmen waren offensichtlich in diesem Raum gemacht worden. Jedes Mal bestätigten sie oder einer der Mediziner, wie gut es ihr ginge.
    Erste Erfolge der Langzeit-Therapie wurden deutlich. Ihr wuchsen Haare, wenn auch blaue. Als wären sie um eine modische Einheit bemüht, passten die Designer ihren Überlebensanzug an die Farbe an.
    »Die externe Energieversorgung ist nötig, um die imitierten Antikörper bei voller Leistungsfähigkeit zu halten«, erklärte Professor Hubinon. »Aber so ein kleidsamer Stoff ist doch ein geringer Preis, wenn man dafür ohne Schutzanzug an der Oberfläche spazieren gehen darf, oder?«
    Amelie lächelte dazu, doch sie sah längst nicht mehr so fröhlich aus wie zu Beginn der Dokumentation. Als sie hörte, dass nun die Tests mit den Oberflächenerregern begännen, legte sich sogar ein gequälter Zug um ihre Lippen.
    »Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte die leibhaftige Amelie, die sich plötzlich ängstlich an Shaws Arm klammerte.
    Er antwortete nicht, denn die weiteren Aufnahmen sprachen für sich selbst. Wie in einem Videoclip reihte sich in schneller Folge Szene an Szene. Da gab es Amelie in ihrem Anzug, fröhlich auf dem Laufband. Aber auch hustend und niesend im Bett, weil sie die getesteten Proben nicht so gut vertrug wie erhofft. Darum gab es modifizierte Abwehrstoffe, neue Spritzen, neue Tests, neue Krankheiten.
    Szenen von einer hemmungslos schluchzenden Amelie, die sich darüber beklagte, dass ihr niemand gesagt hatte, wie lange das »Projet Vitalité« wirklich dauern würde. Szenen tiefster Depression, in denen sie wieder zurück nach St. Genis Laval wollte, weil ihr in dem beengten Außenlabor längst die Decke auf den Kopf fiel. Aufnahmen, in denen sie gegen die Wände trat und herum brüllte. Dann wieder Spritzen, Tests und Krankheiten. Bis zu dem Tag, als alles schief ging.
    Alarmsirenen heulten, während der OP in ein flackerndes rotes Licht getaucht wurde. Die Kamera verfolgte, wie sich Amelie im harten Griff mehrerer Soldaten wand, die sie zur Operationsliege schleiften.
    »Was habt ihr mir gespritzt?!«, brüllte sie und stemmte sich mit beiden Beinen gegen die Liege. »Es tut so weh!«
    Sie wurde festgeschnallt. Professor Hubinon wirkte zum ersten Mal völlig aus der Fassung, als er für die Kamera protokollierte: »Die neue Generation der künstlichen Antikörper ist unter dem Einfluss der letzten Virentests mutiert. Die Patientin klagt über große Schmerzen. Wir hoffen, anhand der Bluttest ein Gegenmittel entwickeln zu können.«
    Amelies Schmerzen raubten ihr längst den Verstand.
    Obwohl man nur versuchte, ihr eine Blutprobe zu entnehmen, bäumte sie sich in ihren Fesseln auf und entwickelte dabei ungeahnte Kräfte. Der
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