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1086 - Der Vampir und der Engel

1086 - Der Vampir und der Engel

Titel: 1086 - Der Vampir und der Engel
Autoren: Jason Dark
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erschien mein Retter und beugte sich über mich.«
    Als sie eine Pause einlegte und trank, fragte Bill: »Was tat er dann?«
    »Er… er… hat mich geküßt.« Estelle nickte. »Ja, er küßte mich, denn er preßte seinen Mund auf meine Lippen, die er zuvor weit geöffnet hatte.«
    »War es ein richtiger Kuß?«
    Plötzlich mußte sie lächeln. »Nein, das war er nicht. Es war eher ein Atmen. Er stieß seinen Atem oder seinen Odem tief in mich hinein. Ich erlebte seinen Hauch, und er war für mich wie ein Quell des Lebens. Es glich schon einem Wunder. Ich spürte Ströme durch meinen Körper rinnen, wie ich sie zuvor nicht gekannt habe. Ich kann sie auch heute noch nicht begreifen, aber sie waren da, ich lüge nicht, wirklich nicht. Ich habe sie als Atem des Lebens bezeichnet, denn nach diesem Kuß ging es mir so gut.«
    »Du lebtest wieder?«
    »Ja.«
    »Und dein Retter hat dir nicht erzählt, wer er ist?«
    »Nein, hat er nicht.«
    »Hat er überhaupt gesprochen?«
    Estelle Crighton runzelte die Stirn. »Gesprochen hat er schon, aber ich habe den genauen Wortlaut vergessen. Er hat gesagt, daß ich noch nicht reif wäre, um sterben zu müssen. Er wollte es nicht. Er wollte mir eine zweite Chance geben und mich auch durch den Kuß unter seinen Schutz stellen. Er hat mir etwas eingehaucht, das andere vielleicht als Seele bezeichnen würden. Eine neue, eine zweite Seele. So genau weiß ich es auch nicht.«
    »Kannst du ihn beschreiben? Hast du ihn genau sehen können?«
    »Es ist lange her, Bill, aber so etwas vergißt man nicht. Ja, ich kann ihn beschreiben, doch ich weiß nicht einmal, ob er ein Mensch war. Ich habe ihn sehen, aber nicht anfassen können. Dafür hat er mich angefaßt, und das begreife ich heute noch nicht. Er war jemand aus einer anderen Welt, aus einem anderen Reich. Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, wer mir das Leben gerettet haben könnte und danach wieder verschwand.«
    »Sag es bitte!«
    Sie zögerte noch. »Lachst du mich auch nicht aus?«
    »Nein, das werde ich nicht.«
    Estelle holte tief Luft. »Ein Engel, Bill. Heute bin ich der festen Überzeugung, daß mir ein Engel das Leben gerettet hat. Einer, der aus dem Himmel gekommen ist oder wie auch immer. Er wollte nicht, daß ich sterbe. Ja, das ist meine Geschichte. Ich bin nach Hause gegangen, und ich war nicht einmal naß.«
    »Hast du deinen Eltern davon erzählt?«
    »Nein, das habe ich nicht. Ich behielt alles für mich. Aber ich habe als Kind dann immer zu den Engeln gebetet und vor allen Dingen zu meinem Schutzengel. Ich weiß, daß er mich gerettet und auch verändert hat.«
    »Wie meinst du das?«
    »Es ist etwas in mir, Bill. Etwas anderes und auch fremdes. Wirklich, ich weiß es genau. Seit dieser Zeit habe ich nur Glück gehabt. Mir ist nichts passiert. Es gelang mir alles, was ich wollte. Ich bin auch nie krank geworden wie andere, und ich dachte immer an den Engel, der mir ein Stück von sich gegeben hat.« Sie schloß den Mund und die Augen und lehnte sich gegen Bill, der nicht sie anschaute, sondern York, den Vampir.
    Er hatte keine Frage gestellt und nur zugehört. Sein Gesicht sah steinern aus. Die Lippen bildeten einen Strich, und auch in den Augen bewegte sich nichts.
    Bill merkte, daß Estelle wieder etwas sagen wollte und konzentrierte sich auf die Worte. »Es war ein wunderbares Leben. Der Engel hat mich verändert. Er hat noch stärker als gewöhnlich über mich gewacht, aber es muß auch etwas mit meinem Blut geschehen sein, sonst hätte York es ja getrunken. Es ist anders als das der Menschen, verstehst du? Ganz anders. Es sieht aus wie Blut und trotzdem…«, sie hob die Schultern, weil sie nicht mehr weiter wußte.
    »Ja, das glaube ich auch, Estelle. Und unserem Freund hier hat es einfach nicht geschmeckt. Wahrscheinlich hat der Engel seinen Atem auch in dein Blut hineingedrückt. Es ist von ihm durchflort, durchweht, verändert worden. Es ist ein Blut, mit dem der Vampir einfach nicht zurechtkommen kann. Er kann nichts trinken, das er haßt.«
    York schwieg. Aber er lächelte jetzt, was Bill nicht gefiel. Aufgegeben hatte York nicht.
    »Deshalb auch die Suche mit dem Fenster und den Spiegeln, Bill. Ich bin anders. Ich weiß nicht, welches Verhältnis Engel zu Spiegeln haben, aber ich glaube nicht, daß sie sich so darin sehen wie wir. Können sie auch nicht. Sie sind ja körperlos, meine ich. Oder was sagst du dazu, Bill?«
    »Das können sie sein. Da hast du schon recht. Aber es gibt auch
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