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1073 - Liebling der Toten

1073 - Liebling der Toten

Titel: 1073 - Liebling der Toten
Autoren: Jason Dark
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dazu in der Lage gewesen wäre.
    Ich hörte den Knall, mit dem die Zimmertür zufiel, dann war Hardy verschwunden.
    Und mit ihm die Kälte!
    Da gab es nichts mehr, was mich umklammerte. Ich konnte mich wieder völlig normal bewegen, und die Nachwirkungen des Kreuzes - eine leichte Wärme - blieben noch auf der Haut zurück.
    Kein Mensch ist ein Roboter. Jeder muß zunächst mit seinen Gefühlen und den Nachwirkungen bestimmter Ereignisse zurechtkommen. So dauerte es seine Zeit, bis ich mich wieder gefangen hatte und mir klarwurde, daß ich die Verfolgung übernehmen mußte. Ich drehte mich um und sah nicht die Tür vor mir, sondern Chief Inspector Tanner, der mich aus extrem großen Augen anschaute und sicherlich nicht begriffen hatte, was hier vorgefallen war. Er bewegte zwar seine Lippen, brachte jedoch kein Wort heraus.
    Es war auch nicht wichtig. Ich hatte es verdammt eilig, drückte mich an ihm vorbei, erreichte die Tür, war mit einem Sprung auf dem leeren Gang und hetzte der Treppe entgegen.
    Ich polterte die Stufen hinab nach unten, wo auch jetzt noch der graue Typ von der Anmeldung stand, mich anschaute und dabei den Kopf schüttelte.
    Ich hastete an ihm vorbei. Draußen gab es möglicherweise noch die Chance, Hardy zu sehen.
    Leider nicht. Weder an den rechten, noch an den linken Seiten der Häuser hetzte er entlang. Er war einfach weg. Untergetaucht, abgetaucht, wie auch immer.
    Wütend und auch enttäuscht ging ich wieder zurück und ärgerte mich dabei über mich selbst, weil ich nicht schnell genug reagiert hatte.
    Langsamer ging ich wieder zurück, dabei in Gedanken versunken. Ich kam einfach nicht damit zurecht, wer er nun war. Sollte man Hardy als einen Menschen ansehen oder als ein Wesen, das zwischen dem Diesseits und dem Jenseits pendelte?
    Ich wußte es nicht, und die Stimme des Grauen riß mich aus meinen Gedanken. »Hören Sie, Mister, ich habe ihn nicht aufhalten können. Wie ein Blitz ist er an mir vorbeigerast.«
    Ohne stehenzubleiben, nickte ich ihm zu und ging dabei weiterhin der Treppe entgegen. »Machen Sie sich keine Gedanken, ich selbst habe es nicht geschafft.«
    Ziemlich müde und dabei wie ein Verlierer aussehend, schlich ich die Stufen hoch. Auch im Flur änderte sich mein Gang kaum. Die Tür zum Zimmer stand offen.
    Tanner saß auf dem Bett. Er hatte die Ellenbogen auf die Oberschenkel gestemmt und starrte auf den Toten, doch ich glaubte, daß er ihn gar nicht wahrnahm. Seinen Hut hatte er weit in den Nacken geschoben, so daß ich die grauen Haarsträhnen sah, die schweißfeücht auf dem vorderen Teil seines Kopfs klebten.
    Erst als ich neben ihm stehenblieb und dabei heftig mit dem Fuß auftrat, hob er den Kopf.
    Ich setzte mich neben ihn. Wir sahen aus wie geschlagene Krieger.
    Tanner schüttelte den Kopf. »Bitte, John, sag mir, was hier passiert ist. Ich weiß es nämlich nicht.«
    »Kannst du dich überhaupt an etwas erinnern?«
    Er schaute mich von der Seite her an. »Ja, das kann ich, auch wenn es mir schwerfällt. Ich kann mich daran erinnern, daß wir das Zimmer betreten haben, und daß aus diesem miesen Sommer plötzlich ein Winter geworden ist. Das ist aber alles, was mir in Erinnerung ist.«
    »Aber du hast Hardy gesehen?«
    »Ja, und ich sehe den toten Zuhälter. Hardy hat ihn gekillt. Er ist wohl einen anderen Weg gegangen. Aber ich sehe noch mehr.« Er deutete auf den Toten.
    »Wenn mich nicht alles täuscht, sind da irgendwelche Reste zurückgeblieben.«
    »Stimmt.«
    »Das hört sich an, als wüßtest du mehr.«
    »Weiß ich auch, Tanner.« Ich schlug ihm auf die Schultern. »Wir können von Glück sagen, daß wir noch leben.«
    »Hardy?«
    Ich schüttelte den Kopf und stand auf. »Nein, nicht nur Hardy. Er war dabei. Er war wohl auch der auslösende Faktor, aber wichtig waren seine Helfer, die plötzlich erschienen.«
    »Woher kamen sie, John? Aus dem Eis? Aus dieser unnatürlichen Kälte? Es gibt doch nichts anderes - oder?«
    »Bingo, aus der Kälte.« Er sollte die gesamte Wahrheit erfahren, und so berichtete ich ihm, was ich erlebt hatte. Dabei ging ich im Zimmer auf und ab. Ich fand einfach nicht die Ruhe, um sitzen bleiben zu können.
    Ich war aufgewühlt. Tanner hörte mir sehr genau zu. Er kannte mich gut.
    Seit Jahren waren wir befreundet. Er hatte es sich abgewöhnt, bei gewissen Vorgängen Fragen zu stellen. Manche Geschehnisse nahm er hin oder mußte sie hinnehmen, weil sie unerklärlich waren.
    So auch jetzt. Als ich mit meinem Bericht zu Ende war,
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