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1040 - Madonna auf dem Höllenthron

1040 - Madonna auf dem Höllenthron

Titel: 1040 - Madonna auf dem Höllenthron
Autoren: Jason Dark
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Restaurierung abgelaufen war.
    Den Hintergrund hatte sie zunächst außer acht gelassen. Wichtig waren die Figuren gewesen. Sie hatte den Staub der Jahre und einen alten Schmutzfilm behutsam entfernt und sich anschließend darüber gefreut, daß die Farben noch eine so große Intensität besaßen Da war wirklich nichts vergilbt.
    Den Mönch hatte sie in mühevoller Arbeit zuerst restauriert und sich dabei mit jedem seiner Barthaare beschäftigt. Danach hatte sie sich um die Madonna auf dem Höllenthron gekümmert, und es war alles normal abgelaufen. Keine Probleme, die Leinwand war nicht gerissen. Sie hatte nur ein wenig nachmalen müssen und dabei den alten Farbton perfekt getroffen. Darauf war sie sehr stolz.
    Plötzlich diese Furcht!
    Julia Ross kam damit nicht zurecht. Lag es vielleicht am Gesicht dieser Frau, das sie sich als nächstes vorgenommen hatte? So klein das Gesicht auch im Gesamtbild war, für sie war es ungemein wichtig. Aus Gesichtern konnte der Betrachter viel hervorlesen, auch aus diesem.
    Und das war nicht gut. Überhaupt nicht gut. Ein böses Gesicht, ein böser Blick, eine Ausstrahlung, die Julia getroffen hatte wie eine unsichtbare Wolke, und die auch jetzt noch vorhanden war.
    »Ach, Scheiße!« sagte sie und trat wieder zurück. Dabei schüttelte sie den Kopf. Sie brauchte eine gedankliche Pause. Sie wollte sich ablenken und holte aus der Kitteltasche die Schachtel mit den filterlosen Zigaretten hervor.
    Als die Zigarette brannte, ging sie unruhig auf und ab. Dabei vermied sie es sorgfältig, einen Blick auf das Gemälde zu werfen. Es war nicht gut, wenn sie sich ablenken ließ.
    Gedanklich beschäftigte sie sich auch damit, Feierabend zu machen.
    Schließlich war es spät genug geworden. Auf der anderen Seite sah sie ihre Tätigkeit nicht nur als Beruf an, sondern mehr als eine Berufung. Da achtete man nicht auf festgelegte Arbeitszeiten. Es spielte keine Rolle, ob sie am Tag oder auch bei Dunkelheit arbeitete. Wichtig war einzig und allein das Ziel.
    An der Wand stand ein kleiner, mit Wasser gefüllter Eimer. In ihn warf Julia die Kippe, die zischend verlosch und sich zu den anderen gesellte.
    Sie hatten sich zum größten Teil aufgelöst. Auf der Oberfläche schwamm ein brauner Film aus Tabakkrümeln.
    Julia ging wieder zurück zu ihrem Arbeitsplatz. Wieder blieb sie vor dem Bild stehen und konzentrierte sich dabei auf das Gesicht dieser ungewöhnlichen Madonna.
    Dort wollte sie ihre Arbeit fortsetzen. In einer kleinen Mulde an der rechten Seite lagen ihre Arbeitsgeräte. Sie griff nach dem schmalen Messer, dessen Klinge sehr scharf geschliffen war. Als Restauratorin mußte sie schon eine sehr ruhige Hand besitzen. Auf keinen Fall durfte etwas Wichtiges zerstört werden.
    Sie glitt mit dem Messer leicht über den unteren Teil des Gesichts hinweg. Das Kinn hatte sie bereits befreit. Als nächstes wollte sie sich den Mund vornehmen, auf dem noch immer die Patina der Vergangenheit als dünner Film lag.
    Behutsam, vorsichtig, nur nicht zittern. Den klaren Blick behalten. Kein Auge durfte tränen und den Blick verwischen. Ein leichtes Ausrutschen konnte fatal werden und ein kostbares Gemälde für immer zeichnen und wertloser machen.
    Julia wußte nicht, wie wertvoll dieses Bild war. Über Preise informierte man sie nicht, aber jede Hinterlassenschaft aus der Vergangenheit besaß einen gewissen Preis.
    Trotz ihrer sechsundzwanzig Jahre besaß sie genügend Erfahrung, um auch allein arbeiten zu dürfen. Das Licht ließ jede Einzelheit erkennen.
    Es blendete nicht, und Julia führte die Klinge sehr behutsam über die Leinwand hinweg.
    Sie lauschte dem leisen Schaben, das entstand, als ihr Werkzeug mit der Leinwand Kontakt bekam. Hauchzart glitt die Klinge über die Lippen der Madonna hinweg. Ihr war der Mund eigentlich immer zu klein vorgekommen. Zum Gesamteindruck des Gesichts paßte er einfach nicht. Jetzt war sie dabei, ihn besonders hervorzuholen, und sie begann mit ihrer Arbeit nahe der Mundwinkel.
    Dort schabte sie den dünnen Film ab. Nahm dann ein kleines Stück Stoff, tupfte nach und wollte das Tuch weglegen, als sie inmitten der Bewegung erstarrte.
    »Nein«, flüsterte sie. »Das… das gibt es nicht! Das kann doch nicht sein…«
    Das feine Messer hatte den rechten Mundwinkel freigelegt. Julia hatte die Umgebung einfach nur reinigen wollen, doch was sie jetzt sah und was unter dem Film zum Vorschein gekommen war, das hatte mit diesem Mund nichts mehr zu tun.
    Es war das Teil eines
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