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1023 - Die Quarantäneflotte

Titel: 1023 - Die Quarantäneflotte
Autoren: Unbekannt
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an.
    „Vermutlich nicht", behauptete er.
    „Also weiter und weiter, ohne Ruhe, ohne Rast, immer weiter und weiter, bis..."
    Er verstummte. Was er sagen wollte, war jedem klar. Es war schon oft gesagt worden.
    Die Seolis hatten einmal mehr keine Heimstatt gefunden, keinen Platz, wo sie hätten friedlich sterben können.
    Und mehr als das wünschten sie sich nicht - sie wollten nur friedlich sterben.
    Kuruzur sah seine Glieder an. Die braunen Flecke waren deutlich zu sehen. Sie verrieten jedem, der es noch nicht wußte, daß er erkrankt war - wie alle an Bord.
    Chabzawah bedachte den Kommandanten mit einem mitleidigen Blick.
    Seit Äonen waren sie unterwegs, die Wesen von Seol-O-Lorrath, stets mit dem gleichen Ziel, stets mit der gleichen Aufgabe. Sie lautete schlicht: Findet einen Platz, wo wir sterben können.
    Nicht daß an Bord des Schiffes nicht gestorben wurde. Im Gegenteil, es gab fast täglich ein Bestattungsritual an Bord. Aber es gab auch fast täglich eine Geburt an Bord, und damit setzte sich das Unheil fort.
    Und es gab kein Mittel, diesem Unheil entgegenzutreten.
    Lautlos und heimtückisch verlief die Krankheit. Irgendwann einmal war sie aufgetreten, hatte sie ihr erstes Opfer gefunden - ausgerechnet in den Reihen eines Volkes, dessen Friedfertigkeit weithin bekannt war. Niemals hatten die Seolis Krieg geführt - das Wort hatten sie schon einer fremden Sprache entnehmen müssen, da sie in ihrem Idiom keinen Ausdruck für solche Gewalttaten hatten.
    Kuruzur sah auf die Projektion der umliegenden Sterne auf einem großen Bildschirm.
    „Aber wohin?" fragte er. „Gibt es in diesem Universum überhaupt noch einen Winkel, den wir aufsuchen könnten?"
    Verfemt, verachtet, verstoßen - so zogen die Schiffe der Seolis ihre Bahn durch den Kosmos. Ab und zu trafen sie auf unbewohnte Welten, dann sandten sie Robots aus, die Erze herbeischafften, Rohstoffe, die zur Nahrung benötigt wurden. Nach jeder dieser Landungen mußten die Seolis etwas tun, was ihnen in tiefster Seele widerstrebte - sie vernichteten den betreffenden Planeten durch gezielten Atombrand. Und sie warteten in jedem dieser Fälle, bis von dem betreffenden Planeten nichts mehr übriggeblieben war.
    Denn mit sich schleppte die Flotte der Seolis die größte Geißel des bekannten Universums.
    Mit sich führten die Unglücklichen die Sonnenwindpest - und es gab dagegen kein Heilmittel.
    „Laßt die Maschinen hochfahren", sagte Kuruzur halblaut. „Du kannst gehen."
    Chabzawah verschränkte die Greifwerkzeuge vor der Stirn und verließ den Wohn- und Arbeitsraum des Kommandanten. Traurig suchte er seine eigene Wabe auf.
    Miritir sah kaum auf, als er den engen Raum betrat. Sie war damit beschäftigt, das Nest zu bereiten. Die Arbeit fiel ihr schwer, denn sie war bereits stark gezeichnet von der Sonnenwindpest.
    Es war das Gräßliche an dieser Seuche, daß sie ihre Opfer nicht mit körperlichem Schmerz quälte. Sie ließ die Befallenen nur langsam dahinsiechen, immer schlaffer und müder werden. Dann stellten sich braune Flecken auf den Leibern ein, danach dauerte es nicht mehr lange, bis die Glieder des Körpers langsam wegfaulten.
    Irgendwann starb dann der Kranke. Es war ein sanfter Tod, aber er kam vor der Zeit; die meisten Seolis wurden gerade erwachsen, kamen gerade dazu, sich fortzupflanzen - dann traf sie die Sonnenwindpest.
    Chabzawah lehnte sich gegen die Wand und sog tief die Atemluft ein. Eine ungeheure Müdigkeit hatte ihn ergriffen. Er wußte, daß ihm wahrscheinlich gerade noch Zeit genug bleiben würde, einen scheuen Blick auf seine Brut zu werfen, dann würde er - wie alle Seolis früher oder später - zum Pflegefall werden.
    Das Höchste, was die zartgliedrigen Seolis kannten, war die Achtung vor dem Leben - und das schloß die eigene Existenz ein. Niemals wäre es einem Seoli eingefallen, fremdes Leben zu vernichten, noch weniger Hand an sich selbst zu legen.
    Damals, vor Urzeiten, als die Sonnenwindpest an Bord gekommen war, hatte einer den Vorschlag gemacht, man solle das Schiff mitten hineinsteuern in eine Sonne, Schiff, Besatzung und Seuche sollten vergehen in der alles zerstörenden Glut einer atomaren Reaktion. Niemand hatte diesem Vorschlag zugestimmt.
    So zog seither die Flotte von Seol-O-Lorrath ihre Bahn, berstend vor Leben, tausendfältigen Tod mit sich tragend.
    Es hatte sich auch keiner gefunden, der es fertiggebracht hätte, dem elementarsten aller Naturtriebe zu begegnen. Ungeachtet des grausigen Schicksals, das ihre
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