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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
Autoren: Petra van Laak
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ersten Aufträge winkte, ich war aufgeregt und hoffnungsvoll. Ich überquerte gerade die Straße in Richtung Bahnhof, als ich auf dem Bürgersteig, den ich gerade ansteuerte, Herrn Winschewsky vor einem Einfamilienhaus erkannte.
    Ich wäre am liebsten weggerannt, jetzt bloß nicht von ihm auf die Kinderzahl angesprochen werden. Herr Winschewsky drehte sich jedoch gerade in diesem Moment um, hinter ihm kam noch jemand aus der Tür heraus. Es war ein Junge, der im Rollstuhl saß und offensichtlich eine schwere spastische Lähmung hatte. Herr Winschewsky beugte sich zu dem Jungen hinunter, lachte sein he-he-Lachen und nahm den etwa Fünfjährigen mit einem leichten Schwung auf seinen Arm. Der Junge lachte mit verzerrtem Gesicht und ruderte mit seinen dünnen Armen. Herr Winschewsky lachte auch und wirbelte ihn einmal im Kreis herum. Der Junge kreischte vor Vergnügen, er lallte einige Male »Baba, Baba«, Speichel lief ihm aus den Mundwinkeln, eine Hand war seltsam abgeknickt, die Finger krallten sich in den haarigen Unterarmen von Herrn Winschewsky fest. Dieser nahm nun umständlich seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche, denn er wollte oder konnte den schmächtigen Jungen dabei nicht absetzen. Dann ließ er den Jungen die Öffnungsautomatik auf dem Schlüssel drücken. Der Junge traf mit seiner kraftlosen, abgewinkelten Hand den Knopf nicht sofort und konnte auch nicht fest genug drücken. Herr Winschewsky war etwas außer Atem, trug weiter den Fünfjährigen auf seinem Arm und hatte eine unendliche Geduld mit dem Knaben. Die Warnleuchten des großen Vans blinkten plötzlich, beide jubelten und Herr Winschewsky setzte den Jungen behutsam in eine Art riesigen Kindersitz auf der Rückbank. Er schnallte ihn fest, der Kopf des Jungen fiel immer wieder zur Seite, sie redeten miteinander und lachten viel.
    Herr Winschewsky tauchte aus dem Inneren des Vans wieder auf und sah mich am Rand des Bürgersteigs stehen. Ich beeilte mich, freundlich zu grüßen.
    »Ah, die Frau van Laak. Hab schon gehört. Sie haben Zuwachs bekommen. Und das so plötzlich. Sachen gibt’s.«
    Ich starrte ihn an, bevor ich jedoch etwas herausbringen konnte, rief er mir fröhlich zu: »Sehen Sie mal hier, das ist auch eine Leidenschaft von mir: mein Sohn Thomas. Er hat heute Geburtstag, wird sieben.«
    Ich schüttelte erst dem stolzen Vater die Hand, dann beugte ich mich etwas befangen in den Van hinein, um die Hand von Thomas zu greifen und ihm zu gratulieren. Sein Ärmchen zuckte in der Luft. Ich bekam sein Handgelenk zu fassen und schüttelte es sanft. Sagen konnte ich nichts.
    Ich richtete mich wieder auf und sah in die flinken Äuglein von Herrn Winschewsky. Ich sah echte Freude und glückliche Gelassenheit darin. Wir sprachen nicht und schauten uns nur kurz an. Dann ging ich langsam weiter.
    Ich schwor, mir niemals mehr aufgrund von waffengefüllten Vitrinen oder Playboy-Kalendern ein vorschnelles Urteil über jemanden zu erlauben.
    Einige Monate später begegnete ich Herrn Winschewsky auf einem Straßenfest in der Innenstadt. Ich stellte ihm alle vier Kinder vor. Er schob gerade den Rollstuhl von seinem Sohn und futterte eine Riesen-Grillwurst. Er hatte ein wenig Senf am Kinn. »Noch eine Leidenschaft«, sagte er. »Essen, hehe!«
    Liebe Mama ich mahg dich ser und ich findE das du die wohnung gut ausgesucht hast. brawo brawo Gut gemacht. Das war ser tol von dir.

    Millie am 15. Juli 2006

Der Anfang vom Aufstieg
    D ie Wohnung hatten wir sicher, und alle vier Kinder waren an Grundschule beziehungsweise Gymnasium untergebracht, mein Schreibtisch stand in meinem Wohn-Schlafzimmer, ein kleiner Rechner war endlich ans DSL angeschlossen. Das Geld war wie immer knapp, den Besuch bei der Wohngeldstelle hatte ich jedoch bereits erfolgreich absolviert, und man war mir dort wirklich sehr freundlich begegnet. Jetzt musste ich mir den Rücken freihalten, um mich in das Wirtschaftsleben der Stadt stürzen zu können. (Wie genau ich als Einzelunternehmerin von null an startete, ist eine eigene, lange, interessante Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.)
    Sorge bereiteten mir die Kosten für den Hort, der die Voraussetzung bildete, damit ich Vollzeit arbeiten gehen konnte. Ich wurde bei der Hortleiterin vorstellig, um meine Lebenssituation zu erklären. Sie unterbrach mich bereits nach dem zweiten Satz.
    »Also erst mal herzlich willkommen. So, also vier Kinder, det is ja schön, hab ich auch. Ach, und keen Kindesunterhalt?
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