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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
Autoren: Petra van Laak
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guten Angebot gegenüber aufgeschlossen seien.«
    Wer wusste von unseren Verwicklungen? Wir versuchten alles, um die brüchige Wahnsinnswelt, in der wir uns zappelnd bewegten, vor allen anderen zu verheimlichen.
    Das war kein blinder Aktionismus, der meinen aktuellen Alltag prägte, sondern pure Überlebensstrategie. Wäre ich zuvor im Denken und Handeln selbständiger gewesen, hätte ich die monetäre und persönliche Pleite erstens eher kommen sehen und daher bessere Vorkehrungen treffen können und zweitens mit größerer Entschiedenheit das Schlimmste von den Kindern und mir abgewendet. Hätte, hätte, hätte – den Konjunktiv gewöhnte ich mir schnell ab.
    Mit kühlem Kopf und flatterndem Herzen leitete ich sofort das Nötigste in die Wege: Wechsel der Krankenkasse, Anträge auf Ermäßigung beim Kindergarten und der Schule. Bitten um Aufschub bei der Begleichung von Telefon-, Gas-, Wasser-, Stromrechnungen. Kündigen sämtlicher Abonnements, sogar Abmeldung der Papier- und Wertstofftonne. Musikschule, Sportverein, Kinderballett, Malkurs – alles musste abgestellt werden. Die wöchentliche Lieferkiste mit Bio-Gemüse und Frischmilch? Weg damit. Einkaufen bei Kaisers? Die nächsten fünf Jahre sollte ich keinen Fuß mehr in diesen Supermarkt setzen. Aldi war angesagt, und dort konnte ich auch nur das Nötigste einkaufen. Die nächsten Friseurtermine? Konnte ich knicken. (Ich wurde dann halt Haar-Modell für die Azubis, um kein Geld fürs Haareschneiden mehr ausgeben zu müssen. Allerdings fielen mir nach einigen Monaten vor lauter Stress die Haare in Büscheln aus, so dass ich als Übungsobjekt nicht mehr in Frage kam. Die neue Friseurin, zu der ich später ging, fragte mich bei meinem ersten Besuch teilnahmsvoll, ob ich die Chemo gut vertragen hätte.)
    Wie kam der Herr am Telefon nun gerade auf mich? Hatte da jemand, der von meiner misslichen Lage etwas mitbekommen hatte, dem Unternehmen einen Tipp gegeben? Das wäre ja nett, aber warum gab dieser Jemand seinen Namen nicht preis?
    Während ich noch zwischen Misstrauen und Freude über die Empfehlung schwankte, sortierte ich schnell die in Frage kommenden Personen im Kopf. Aus dem Kontext der Schule? Nein, dort waren alle peinlich berührt vom Lauf der Dinge. Gemeinde? Niemand wusste es, vielleicht ahnte die Gemeindereferentin etwas; die hatte zwar einen guten Draht zum lieben Gott, ganz bestimmt jedoch nicht zur Versicherungswirtschaft. Eine Freundin? Hätte sie mir gesagt. Wollte einfach jemand, dass ich endlich den Sprung zurück ins Berufsleben schaffte?
    Als junge Studienabsolventin war ich nach nur zwei Jahren Vollzeit-Berufsleben bereits Mutter geworden. Mein Ansatz zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie war damals sehr pragmatisch: Baby in die Krippe und weiterarbeiten. Schon in weniger als zwei Jahren war das zweite Kind da. Ich fand eine patente Tagesmutter, die beide Kinder betreute. Dann kündigte sich das dritte Kind an, es wurde langsam eng. Ich reduzierte auf eine Zweidrittelstelle, hatte jedoch nicht mit einem Säugling gerechnet, der viel schrie und ständig krank war.
    Mit drei kleinen Kindern und sporadischem Arbeiten auf Stundenbasis vollzog sich ein schleichender Wandel von der gut ausgebildeten, praxisorientierten Geisteswissenschaftlerin hin zu einer jungen Mutter, die von ihrer Umgebung, ihrem Mann und von sich selbst (!) immer mehr auf Kinder, Küche, Kirche reduziert wurde. Meine Mutter, die selbst immer für ihre berufliche Eigenständigkeit in ihrer Ehe gekämpft hatte, bezeichnete all dies treffend als »Frauenfalle«. Als das vierte Kind auf die Welt kam, war ich komplett weggeschlossen, und im Rückblick weiß ich: Ich fühlte mich unendlich einsam. Wenn ich herauskam, dann als Begleitung des Ehemannes. Meine Fähigkeiten lagen völlig brach – mal von meinem von den Frauen mütterlicherseits an mich weitergegebenen Talent, Kinder zu erziehen, abgesehen.
    Wenn ich mich auf Ausstellungseröffnungen, Einweihungen oder Botschafter-Dinners in Diskussionen einbringen wollte, hörte mir niemand richtig zu. Stumm beobachtete ich das Aufplustern und Angeben der Männer rings um mich herum, und machte ich einmal eine scharfe treffende Bemerkung, schien sie niemand wahrzunehmen. Mir war eine bestimmte Rolle zugedacht, und nach einigen erfolglosen Anläufen, andere Facetten meiner Person zu leben, wagte ich es schließlich nicht mehr, über den sorgfältig um mich herum gebauten – zweifelsohne hübschen und soliden – Zaun zu
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