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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
Autoren: Petra van Laak
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konnte ich sehen, dass sie mehrere Schlüssel zu einer kleinen Tür ausprobierte, bis diese mit einem kleinen Quietscher aufsprang. Schwester Felicitas wühlte wieder, roter Stoff fiel heraus und legte sich auf ihre Pumps. Etwas Watteweißes segelte aus dem Kämmerchen heraus und verhakte sich in ihrer Uhr. Ungeduldig schüttelte sie es ab. Jetzt kam noch ein großer, goldener Stab mit gebogener Spitze zum Vorschein, sie hantierte hektisch damit herum und lehnte ihn schließlich gegen die benachbarte Türzarge. Natürlich fiel er mit einem hellen Klappern sogleich um, ein Stück goldene Farbe sprang ab und hüpfte in den Stoffberg hinein, der zu ihren Füßen lag. Missmutig horchte sie auf, kroch dann fast in den Wandschrank hinein, grunzte zufrieden und zog mit einer ruckartigen Bewegung ein großes, braunes Textilstück heraus. Sie stopfte schnell all die anderen Gegenstände wieder in den Wandschrank und schleuderte das Stoffstück mit einer sportlich-übermütigen Armbewegung in meine Richtung. »Will ich aber wiederhaben«, rief sie mir leise zu. Ich fing das Ungetüm auf, es war der große Jutesack von der letzten Nikolausfeier.
    Nachbarn, die gut auf ihre Umgebung aufpassen, gibt es überall. Besonders eifrig sind diejenigen, die gegenüber vom Gemeindezentrum wohnen. Wir wären weit weniger auffällig gewesen, wenn Schwester Felicitas sich nicht ständig umgeschaut hätte. Wenn sie laut und deutlich mit mir gesprochen hätte, statt mir aus dem Mundwinkel undeutliche Befehle zuzuzischen. Wenn wir mit Sack und Tasche aufrecht gegangen wären, statt gebückt damit über die Straße zu ihrem Auto zu huschen. Für die Hausbewohner gegenüber waren wir eine leichte Beute. Frau Mendes, Pfarrgemeinderatsmitglied, kam aus ihrem Garten geschossen – das Tempo war beachtlich, trotz der dicken Gartenclogs, die bestimmt zwei Nummern zu groß waren und aus denen ihre Fersen immer wieder herausschlappten. Sie fragte uns mit ihrem charmantesten katholischen Lächeln, ob wir einen guten Tag hätten und die Sonne ebenso genießen würden wie sie. O ja, vielen Dank, alles schön. Jetzt müssen wir aber weiter. – Was haben Sie denn da Schweres zu transportieren? Kann ich helfen? – O nein, danke, wir kommen schon klar. – Sie fahren sicher jetzt zur Waldschule, die Reste vom Kirchentag verteilen? – Schwester Felicitas holte tief Luft, richtete sich auf, fixierte die engagierte Dame mit einem ernsten Blick und sagte entschieden: »Diese Gruppe aus Bayern hat nichts, aber auch gar nichts übrig gelassen, außer jeder Menge Müll und verschimmeltem Brot. Und wir müssen den Mist jetzt entsorgen. Wo ich doch so schlecht was wegschmeißen kann. Hier, wollen Sie mal riechen?« Und sie hielt den Nikolaussack Richtung Gartenzaun. Frau Mendes holperte einen Schritt zurück, traf einen Maulwurfshügel, geriet ein wenig ins Trudeln, fing sich wieder und wünschte uns noch viel Erfolg bei der Arbeit.
    Schwester Felicitas brachte die Fracht und mich in ihrem Auto nach Hause. »Dumme Pute«, murmelte sie beim Losfahren. Wüsste man es nicht, dann käme man nicht wirklich auf den Gedanken, neben einer Ordensoberin zu sitzen.
    Wir saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Unter meinen Füßen war ein kleines Loch im Bodenblech, ich konnte von meinem Beifahrersitz direkt hinunter auf die Straße sehen, wo der Asphalt wie ein langes, graues Gummiband unter mir durchzischte. Schwester Felicitas schaute unverwandt auf den Straßenverkehr.
    »Ist vom letzten Winter, als ich mit den Sternsingern unterwegs war. Da hab ich das Weihrauchgefäß auf den Boden gestellt, dachte mir, das mach ich nicht extra aus für die kurze Fahrt. Und dann ist es umgekippt, und die Weihrauchkörner haben sich durch die Matte und den Karosserieboden gefressen. Eine solche Wirkung habe ich dem Weihrauch gar nicht zugetraut.«
    Hatte ich selbst ein etwas komisches Gefühl dabei, mit Taschen voller geklaut-geschenkter Lebensmittel nach Hause zu kommen, so war dies meinen Kindern herzlich egal. Für sie zählte nur das Ergebnis: mal wieder richtig viel und lecker futtern zu können, und so legte auch ich das Unbehagen ab, dieses Gefühl der Scham, meine Lieben und mich von Almosen ernähren zu müssen.
    Ich stellte Tasche und Jutesack auf den Küchenboden und holte die Kinder herbei. Sie sollten mir helfen, die Sachen in den Kühlschrank zu räumen und den Rest in den Schränken zu verstauen. Ungläubig guckten sie auf die riesigen Mengen an Lebensmitteln. Ich
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