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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
Autoren: Petra van Laak
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Millie, der fünfjährige Till hatte Angst vor den gefährlichen Krokodilen unter seinem Bett – ich versuchte mich zu konzentrieren, aber ich fühlte immer nur eines: Diese beiden Typen an unserem Tisch waren nicht koscher. Und obwohl ich in den letzten Monaten immer wieder versucht hatte, André davon zu überzeugen, uns von einem befreundeten, absolut soliden und unserer Familie zugewandten Wirtschaftsjuristen beraten zu lassen, setzte mein Gatte seine fliehende Unterschrift unter ein weiteres Papier. Wenig später wurden Bilder und Antiquitäten aus unserem Haus am See abgeholt. Ich erklärte den Kindern, dass Mama und Papa einfach nur ein wenig umräumen wollten.
    Dass sich einer der beiden Unternehmensberater später dann mit einem Teil des restlichen Firmenvermögens nach Kambodscha absetzte, war nicht so schlimm wie die Tatsache, dass auch meine Unterschrift, zittrig und klein, auf dem besagten Papier zu finden war.
    Die spanische Dame machte sich beständig Notizen, schaute zwischendurch auf ihren Blackberry, ließ mich reden, schoss mit einer Frage dazwischen, und ich stand wie neben mir selbst, ließ mich von dieser abgebrühten Person abfragen wie ein Schulmädchen.
    Am rechten Saum ihres Jacketts hing ein schwarzer Faden heraus.
    Plötzlich brach sie das Gespräch ab, gab mir einen Zettel und schickte mich mit einem knappen Satz raus, ohne von ihrem Blackberry aufzublicken. »Gehen Sie in Raum null null drei, dort warten Sie.«
    Es muss Teil der Strategie sein, die Menschen im Ungewissen zu lassen. Während ich im dämmrigen Flur die Raumnummer suchte, sah ich aus dem Augenwinkel, wie der junge Mann bereits die nächste Person zu Madame España brachte.
    Null null drei war ein Seminarraum, in dem etwa ein Dutzend Wartende an die Wände starrte. Mein Gruß wurde kaum erwidert. Es gab keine Getränke, nichts zu lesen, der Raum wirkte aseptisch.
    Sicherlich dachte jeder von uns darüber nach, ob er unter den Auserwählten sei. Manche von uns mussten bereits vier Stunden Wartezeit hinter sich haben. Ich fühlte mich plötzlich müde, wollte etwas trinken, aber keiner von uns traute sich weg. Ich sprach schließlich einen dicklichen Mann an, der etwas entspannter aussah als die anderen. Ich müsse mal wohin, ob er Bescheid sagen könne, falls ausgerechnet jetzt jemand kommen würde. Er zuckte nur mit den Schultern und starrte weiter an die Wand. Die anderen, darunter eine verbissen aussehende Frau im Glitzerrock und zwei sehr junge, ehrgeizig wirkende Typen im grauen Anzug, reagierten überhaupt nicht. Ich ging schnell los, trank aus dem Wasserhahn in der Damentoilette und rannte zurück. Mittlerweile war eine weitere Person zu uns gestoßen, ebenso orientierungslos wie wir alle.
    Ich trat ans Fenster des irritierend keimfrei wirkenden Raumes, in der Hoffnung, dass sich dort draußen etwas vom wirklichen Leben abspielen würde – und traute meinen Augen kaum: Direkt unterhalb des Fensters bewegte sich etwas Großes, Graues. Ganz langsam wogte der zerfurchte Rücken eines Elefanten von einer Ecke seines Geheges zur gegenüberliegenden Wasserstelle, einem dunkelgrünen Tümpel, auf dem sich die rötlichen Früchte eines Lindenbaumes drehten, dessen Zweige fast bis ganz hinunter zur Wasseroberfläche reichten. Der Elefant tauchte seinen Rüssel mit großem Bedacht in das Wasser und zerteilte dabei den matten Film auf der Oberfläche in zähe Schlieren. Ich blickte in unseren Warteraum zurück, wollte wissen, ob die anderen diesen surrealen Moment mit mir teilten. Ich sah nur apathische Mienen. Ich beschloss, den verrückten Ausblick auf die Rückseite des Berliner Zoologischen Gartens für mich zu behalten.
    In der nächsten Stunde füllte sich der Raum nach und nach, bis wir etwa dreißig Personen waren. Lethargie machte sich breit, aber auch erste Zweifel kamen auf. Bis die Tür mit einem Knall aufflog und Madame España mit flottem Schritt hereinkam. Ein jeder richtete sich auf, strich die Kleider glatt, mit der tadellosen Haltung von Madame konnte es jedoch niemand aufnehmen.
    »Gut. Gut so. Sie sind von vierhundertdreiundzwanzig Bewerbern ausgewählt worden. Ich werde mit Ihnen einige Grundlagen des Telefonmarketings erarbeiten. Nur zehn von Ihnen werden am Ende des Tages übrig bleiben und an unserer Telefonakquise teilnehmen dürfen.« Alle Rücken strafften sich, auch meiner.
    Es folgte Frontalunterricht im Kasernenton, unsere Lehrerin schritt durch die Reihen, verlangte schnelle Antworten, wer ins
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