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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
Autoren: Petra van Laak
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Zusagen von Geschäftsfreunden nicht eingehalten wurden und sich Partnergesellschafter als dubiose Finanzjongleure erwiesen, die sich mit derselben Schnelligkeit vom glücklosen Unternehmer abwandten, mit der sie seinerzeit seine Gunst erworben hatten. Plötzlich gab es eine neue Vokabel in meinem aktiven Wortschatz: Insolvenz. Und bald kam eine weitere hinzu: Zwangsvollstreckung. War ich im falschen Film gelandet? Hätte ich besser auf den ersten Akt im Drehbuch achten sollen?

    Jetzt saß ich in einem engen, verschatteten Raum und machte eine ganz neue Wirklichkeitserfahrung. Meine Tischnachbarinnen, die eine mit toupierten Haaren im Schottenrock, die andere im edlen Jogging-Outfit und mit schwerem Schmuckgehänge, setzten sich mitgebrachte Headsets auf und säuselten sofort drauflos.
    Meine Liste war thematisch sortiert. Ich hatte lauter Handwerksmeister auf den ersten Seiten, danach kamen Wohnungsbaugesellschaften, dann Lebensmittelgeschäfte, zuletzt Botschaften und Behörden. – Ging es nicht um Warmakquise? Fliesenleger Müller war wohl kaum Interconti-Stammkunde. Ich fragte leise bei Madame nach, worauf sie die Stirn runzelte und überfreundlich zischte: »Das ist jetzt egal, das sind alles Topadressen, die wir euch zur Verfügung stellen, also los jetzt mit dem Anrufen.« Der schwarze Faden zitterte heftig.
    Ich mache es kurz: Keiner der Handwerker war von meinen Anrufen begeistert, im Gegenteil, ich wurde abserviert, beschimpft, in manchen Fällen sogar ausgelacht. Machte ich etwas falsch? Um mich herum das geschäftige Gesumm und Gelaber der anderen, zwischendurch auch ernste Gesichter, aber zumindest kamen die weiter als zwei Sätze. Ich schielte auf die Listen der Nachbarinnen. Aha, Beautyfarmen die eine, Rechtsanwaltskanzleien die andere.
    Plötzlich ein durchdringendes Schrillen, eine Art Klingelton schreckte uns alle auf. Madame stellte sich breitbeinig in die Mitte des Raumes und verkündete: »Bravo, Christian hat die erste Mitgliedschaft abgeschlossen! Ganz toll, Christian, wir gratulieren dir!« Jetzt mussten wir alle klatschen, Christian, der Hüne, grinste, und nicht nur mir versetzte es einen kleinen Stich, dass er es vor uns allen geschafft hatte. »Hier ist deine Überraschung, Christian!« Er bekam eine Art Zertifikat auf den Tisch gelegt, dazu eine Tafel Schokolade, Marke No Name. Christian grinste immer noch. Madame kontrollierte den Grad unserer Begeisterung, also begeisterten wir uns heftig.
    Weiter ging’s. Die Angerufenen sollten die Mitgliedschaft abschließen, indem sie ihre Kreditkartendaten am Telefon preisgaben. Während wir diese notierten, sprang Madame schon herbei, grapschte uns den Zettel weg und hackte die Daten in ihren Laptop unten im Erdgeschoss ein, um die Validität zu überprüfen. Keine Ahnung, wie sie das machte. Während einer von uns noch im Telefonprozess war, rannte sie wieder nach oben, riss ihren Daumen nach oben, wenn die Daten in Ordnung waren, und drängte auf einen zügigen Abschluss des Telefonats. Erst dann durfte der Schrill-Ton erklingen, und wir mussten applaudieren.
    Am Ende des Tages hielt Madame eine kleine Lobrede auf Christian, danach eine Mahnrede an alle, die an diesem Tag nichts erreicht hatten – etwa vier Leute, darunter ich –, und erwähnte en passant, dass man sich auch von Leuten trennen müsse, die den »spirit« dieses tollen Jobs nicht begreifen würden. Mit klopfenden Herzen wurden wir in den Feierabend entlassen.
    Am nächsten Tag veränderte sich nicht viel. Einer von uns vier Losern schloss nach einem zähen dreißigminütigen Gespräch eine Mitgliedschaft ab und rannte nach draußen, um drei Zigaretten zu rauchen. Als er sich beim Heruntersteigen auf der Wendeltreppe am rutschigen Geländer festkrallte, sah ich riesige Schweißflecken auf seiner Anzugjacke.
    Ich hatte heute die Wohnungsbaugesellschaften dran, fast noch schlimmer als die Handwerksbetriebe, denn hier hatte ich es mit vorgeschalteten Drachen zu tun: gestandene Chefsekretärinnen, die mich sogleich unterbrachen und energisch verabschiedeten oder – fast noch verletzender – in mütterlich-mitfühlendem Ton erklärten, dass sie wüssten, wie schwer mein Job sei, aber, tut mir leid, Kindchen, dass der Chef nicht interessiert sei, ganz gewiss nicht. Ich musste immerzu an meine vier Kindchen denken, ich wollte doch nur, dass es ihnen gutginge, und meine Stimme wurde immer weicher, ein grober Fehler.
    Dazwischen ein Besitzer eines gutgehenden Teeladens am
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