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0979 - Der Totenhügel

0979 - Der Totenhügel

Titel: 0979 - Der Totenhügel
Autoren: Jason Dark
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ihm. Ich stehe ja auch auf dem Schlauch, wie man so schön sagt, aber ich muss leider zustimmen.« Er nahm wieder seinen alten Platz ein und wirkte vor der nächsten Frage leicht verlegen. »Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, meine Herren, aber könnte es denn sein, dass auch Sie ratlos geworden sind?«
    »Im Augenblick schon«, gab ich zu.
    »Hm. Ziehen Sie daraus eine Konsequenz?«
    »Wie meinen Sie das, Doktor?«
    »Geben Sie auf und sorgen Sie dafür, dass alles seinen normalen Gang geht. Beerdigung, Trauerfeier, wie auch immer. Benachrichtigung der Angehörigen…«
    »Werfen Sie die Flinte nicht zu früh ins Korn, Doktor?«
    Der Arzt überlegte. »Ich hoffe nicht. Ich weiß nur, dass wir so nicht weiterkommen.«
    »Das stimmt allerdings. Wir sind auf Sidney Byrons Hilfe angewiesen.«
    »Das hört sich vielleicht an.«
    »Überhaupt nicht«, sagte ich. »Sie haben uns erzählt, dass er hin und wieder erwacht. Und darauf warten wir.«
    Dr. Morris wollte es nicht glauben. Zumindest schaute er uns so an. »Darauf warten?« flüsterte er.
    »Ich weiß nicht, ob das so einfach ist. Da haben Sie sich aber was vorgenommen.« Er hob die Schultern.
    »Aber bitte. Es ist immer noch besser, als würden Sie sagen: Sorry, wir haben uns geirrt. Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Nur kann ich Ihnen keinen Zeitpunkt nennen.«
    »Das hat auch keiner von Ihnen verlangt, Doktor«, erklärte ich. »Wir gehen nur davon aus, dass es geschehen wird, geschehen muss. Wann ist er zuletzt erwacht?«
    »Eine genaue Zeit kann ich Ihnen nicht nennen, aber…«
    »John!« Suko hatte nur meinen Vornamen erwähnt. Der Klang seiner Stimme war mir bekannt. Wenn er so sprach, hatte sich etwas verändert. Ich drehte mich um.
    Suko stand direkt neben dem Toten. Mit dem ausgestreckten Zeigefinger wies er auf dessen Kopf.
    Ich trat näher an die Bahre heran. Ich sah es ebenfalls. Die Lider bewegten sich. Sidney Byron schien zu erwachen.
    Einen Moment später schlug er die Augen auf und starrte uns an.
    ***
    Lilian Kline hatte ihrer Tante noch für eine Weile nachgeschaut. Minuten später stand sie noch immer am selben Ort, ohne allerdings etwas aufzunehmen, denn ihr Blick war ins Leere gerichtet. Und leer fühlte sie sich auch. Die Gedanken schienen aus ihrem Kopf weggeströmt zu sein. Sie wirkte wie eine Puppe, die jemand genommen und einfach abgestellt hatte. Der Platz, an dem das Haus ihrer Tante stand, gehörte zwar noch zu Graham, aber es lag am Stadtrand.
    Man konnte es schon als einsam bezeichnen. Wer vor dem Haus stand oder aus dem Fenster schaute, dessen Blick verlor sich in der hügeligen Einsamkeit der Landschaft, die wie ein friedliches Gemälde wirkte. Besonders am frühen Abend waren kaum fremde Geräusche zu hören. Da war die Umgebung in das Bett der Stille gelegt worden, um auf die Dunkelheit zu warten.
    Das Kind atmete durch die Nase. Es saugte den Geruch ein, der so anders war als der in London. Es roch nicht nach Dreck, nach Abfall oder nach Abgasen. Der Geruch hier war natürlich, er war intensiv.
    Die Erde, das Gras und der Wald strömten ihn aus, als wollten sie Gesundheit pur abgeben und Lilian beweisen, wie groß doch der Unterschied zwischen dem Land und der Großstadt war.
    Sie lächelte verloren. Sie zwinkerte mit den Augen, aber sie dachte auch daran, dass dieser Geruch nicht nur Positives enthielt. Etwas schwebte mit ihm zusammen in ihre Nase, das sie nicht so sehr mochte. Es war der Atem von etwas Altem, nicht eben von Fäulnis oder stinkenden Gasen, nein, da kam noch etwas anderes hinzu, mit dem sie nicht zurechtkam. Sie wusste nicht, wie sie den Geruch deuten sollte, und er schien auch nicht direkt in ihrer Nähe aufgestiegen zu sein, sondern weiter im Hintergrund, vielleicht jenseits des Waldes, wo der Ort lag, zu dem sich Lilian immer wieder hingezogen fühlte.
    Niemand hatte sie geschlagen, aber sie schrak zusammen, als hätte sie einen Schlag erhalten. Mit der Starre war es vorbei. In ihre Gestalt kam wieder Bewegung und Leben, und sie drehte sich dicht vor der Türschwelle um, um wieder ins Haus zu gehen. Die Tür ließ sie spaltbreit offen.
    Lilian Kline ging in das Zimmer, in dem sie schlief. Dort stand auch der Kleiderschrank. Ihre Tante hatte wieder für neue Kleidung gesorgt, über die Lilian sich freute, und sie überlegte, was sie an diesem Abend überstreifen sollte.
    Ein weißes Kleid mit dreiviertellangen Ärmeln geriet in ihr Blickfeld. Es war zwar nicht ganz neu, aber es gefiel der
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