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0968 - Die Greise von Eden

0968 - Die Greise von Eden

Titel: 0968 - Die Greise von Eden
Autoren: Adrian Doyle
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fürchterlichen und weitreichenden Verdacht, dass er ihn nicht auszusprechen wagte.
    Nicht in dieser Runde jedenfalls.
    »Ich muss sofort zu Wafa und Zalay!«, presste er hervor. »Und ihr kommt mit! Zieht euch etwas an - sofort! Ihr könnt nicht hier bleiben, wenn ich fort bin. Niemand ist mehr sicher!«
    Die Blicke, mit denen sie ihn bedachten, brachten ihn fast um den Verstand. Doch noch schlimmer war der Gedanke daran, dass Rami verschwunden war.
    »Müssen wir nicht die Polizei benachrichtigen?«, fragte Liwa.
    Er schüttelte schroff den Kopf. »Die Polizei kann uns nicht helfen - das müssen wir selbst in die Hand nehmen!«
    In die Hand …
    Ihn schauderte. Dann gab er sich einen Ruck und tat selbst, was er Frau und Kind aufgetragen hatte, kleidete sich in Windeseile an.
    Wenig später traten sie hinaus in die laue Nacht.
    Der Himmel war sternenlos.
    Zumindest drang das Licht der Gestirne nicht bis zu den Wenigen vor, die ihre Blicke zum Firmament richteten.
    ***
    Am nächsten Morgen
    Malak Ghareibeh trieb seinen Maulesel mit der Gerte an, damit er schneller lief. Das Biest war heute noch störrischer als sonst.
    Malak fluchte. In all den Jahren, die er die Burgruine von Kerak verwaltete und für Besichtigungen in Schuss hielt, war er noch niemals zu spät gekommen, um aufzuschließen. Dunja würde mit ihm schimpfen. Sie saß im Kassenhäuschen, verkaufte Billets und Souvenirs an die Touristen, die tagtäglich in Bussen angekarrt wurden. Die ersten würden in spätestens einer Stunde eintreffen, und bis dahin musste das Wechselgeld einsortiert, die ersten Häppchen vorbereitet sein.
    Malak warf einen scheuen Blick auf die zerkratzte Armbanduhr, die schon sein Vater getragen hatte. Es war spät… und es wurde immer später, weil dieses verfluchte sture… Ein Schatten fiel über Malak. Das Muli bockte, warf ihn fast ab. Malak schlug erbost auf es ein, zerrte an den Zügeln. Gleichzeitig bog er den Kopf in den Nacken und blickte zum Himmel, der… immer noch wolkenlos war.
    Aber woher kam dann der Schatten, der sich nicht nur über Malak und das Muli gelegt hatte, sondern über eine fußballgroße Fläche? Malak schauderte kurz, ohne genau zu wissen, warum eigentlich.
    Trotz der frühen Morgenstunde war die Hitze bereits enorm, hatte den sandigen Boden aufgeladen, der im plötzlichen Schatten grau wie kalte Asche aussah. Grau und elend…
    Malak starrte erschrocken auf seine Hände.
    ... grau wie seine Haut und das Fell des Maultiers, von dem niemand aus Malaks Familie und Bekanntschaft verstand, warum er es nicht längst wenigstens gegen ein Fahrrad, wenn schon nicht gegen ein Moped oder einen erschwinglichen Wagen eingetauscht hatte.
    Aber das war ihm alles zu unpersönlich. Im Normalfall brauchte er das tägliche Kräftemessen mit dem eigensinnigen Tier. Aber so widerspenstig wie heute hatte es sich noch nie verhalten. Obwohl zeitig wie immer aufgestanden, hatte das Verhalten des Mulis den Verwalter mindestens eine halbe Stunde zusätzliche Zeit gekostet.
    Und jetzt auch noch das - ein Schatten, der aus einem wolkenlosen Himmel fiel.
    Malak begann zu zittern, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Und diese schüttelfrostartigen Erschütterungen übertrugen sich auf das Maultier, dessen borstiges Fell sich wie das einer fauchenden Katze sträubte.
    Dann war der Schatten vorbei. Die Sonne kam durch, brannte hell und heiß wie eh und je. Das Maultier beruhigte sich, genau wie sein Reiter. Aber noch auf dem ganzen restlichen Weg zur Ruine steckte der Zwischenfall, für den Malak keine Erklärung fand, beiden in den Knochen.
    Endlich bog Malak um den Fels, von dem aus er zum Beginn des Felsenpfades blicken konnte, der sechsundneunzig Stufen höher vor dem Burgtor endete, dessen handspannenlanger Eisenschlüssel am Sattelknauf hing.
    Dunjas klappriger 67er Citroën 2CV parkte an der gewohnten Stelle, dem äußersten linken Rand des Besucherparkplatzes. Malak machte sich auf ihre Standpauke gefasst. Am Beginn des Stufenpfades stieg er ab und führte das Muli an den Zügeln hinauf. Es sträubte sich immer noch. Ohne Schläge ging gar nichts.
    Malaks Laune sank endgültig in den Keller.
    Eine letzte Biegung, dann lag das Tor vor ihm - der Moment, in dem Malak endgültig dämmerte, dass heute nichts so war wie sonst.
    Und nach diesem Tag auch nie wieder sein würde.
    Von Dunja war nichts zu sehen. Dafür hing das schwere, massive Eisentor, hinter dem der Hof bereich mit Kasse und Souvenirladen begann, völlig
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