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0965 - Die zweite Unendlichkeit

0965 - Die zweite Unendlichkeit

Titel: 0965 - Die zweite Unendlichkeit
Autoren: Simon Borner
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ihre Augen groß, und ihr Blick glitt zu dem Grauhaarigen.
    »Mit der Säure?«, schlug Nicole vor. »Was immer sie da unsichtbar festhält und ihr die Luft raubt, vielleicht können wir uns einen Weg in es hineinätzen, wenn wir die Reste der Spinne-«
    »Dadurch gewinnen wir nichts«, brummte der Mann im dunklen Mantel. »Wir verlieren nur unsere Finger. Lassen Sie mich mal was ausprobieren.«
    Unter Zamorras fragenden Blicken trat er direkt vor die Schwelle, sah der Erstickenden direkt ins Gesicht und schloss dann die Augen. Er atmete schwer, und seine Schultern zuckten. Pure Konzentration.
    »Können Sie mir sagen, was er da macht?«, flüsterte Nicole Ben zu.
    Dieser nickte. »Sagen, ja - glauben, nein. Er… Er versucht, sich zu entkörpern. Wenn ich seine Gedanken richtig deute, will er seinen Leib auflösen und… Ja, irgendwie in ihren Raum hinein diffundieren. Verzeihen Sie, aber mir fällt kein besserer Begriff dafür ein.«
    Er löst sich auf? Zamorra verstand allmählich gar nichts mehr. Dieser Typ sollte in der Lage sein, sich… Ja, was? Seinen Aggregatzustand zu ändern? Die Formulierung war so bizarr wie die Tatsache selbst, aber Ben, Ellie und der Grauhaarige schienen von dieser überzeugt zu sein.
    Bis…
    »Zwecklos.« Keuchend und mit einem Mal schweißgebadet, knickte der Fremde in den Knien ein und plumpste hart auf dem Dielenboden auf. »Ich - Ich verstehe das nicht. Normalerweise… Aber seit ich hier bin - kenne mich kaum wieder.«
    Normalerweise? Zamorras Gedanken überschlugen sich. Da war etwas. Ein roter Faden, der sich durch dieses Chaos zog. Doch wann immer er ihn zu finden glaubte, entzog er sich ihm wieder. So geschickt und schnell, wie es die grauenvollen Asttentakel gewesen waren. »Dann eben anders«, drängte der Professor. »Ben, Ellie - nächster Vorschlag.«
    »Zu spät«, murmelte die junge Campbell.
    Als Zamorra erschrocken aufblickte, bemerkte er es auch: Die Asiatin war tot.
    Zwar stand sie nach wie vor am selben Ort, und auch ihre Körperhaltung war identisch, aber das Flackern hatte ihre Augen verlassen. Was immer ihr jenseits dieser Schwelle die Luft raubte, hatte sie endgültig erstickt.
    Ellie Campbell begann zu weinen.
     
    Kapitel 3: Ewigkeit des Nichts
    Feuer.
    Gestank.
    Schmerz!
    Er sieht…
    … ein Meer aus Licht. Er treibt darin, gleich einem verlorenen Floß. Er vergeht.
    Denn das Meer ist nicht aus Wasser. Es greift nach ihm, brennt sich in seinen Leib und reißt sich Stücke aus seinem Körper, als sei es ein hungriges Raubtier.
    Er spürt…
    … jede Wunde, die die Fluten ihm bereiten, mit einer Intensität, die ihn bis an die Grenzen des Erträglichen führt. Er windet sich vor Pein. Er brüllt sie in die Ewigkeit aus rotglühendem Nichts hinaus, bis ihm die Sinne endgültig zu schwinden drohen, und doch geschieht nichts.
    Bis der Augenblick vergeht, und die Normalität zurückkehrt.
    Oder das, zudem sie geworden ist.
    ***
    »Alles in Ordnung?«, fragte Nicole besorgt.
    Zamorra blinzelte den Moment fort. Dann winkte er ab. »Wird schon.«
    Was war nur mit ihm los? Seit er diesen eigenartigen Ort erreicht hatte, überkamen ihn von Zeit zu Zeit Aussetzer - kleine Schmerzschübe, die nie länger als einen Sekundenbruchteil dauerten, aber von beachtlicher Intensität waren.
    Vielleicht habe ich mich überanstrengt , dachte er in einem Anflug von Galgenhumor. Vielleicht bin ich doch irgendwo der Uropa geblieben, der ich bei unserem Abenteuer an der Quelle kurzzeitig geworden war, Rhett hin oder her. [1]
    Die Gruppe aus unfreiwilligen Schicksalsgefährten hatte inzwischen einen weiteren Raum dieses absurden Gebäudes betreten. Es schien sich um die Küche zu handeln. Zumindest legten der abgewetzte Holztisch, die paar Stühle und der klobige Schrank an der rechten Seitenwand der Kammer diese Vermutung nahe.
    Nun saßen oder standen sie um den Tisch verteilt und sahen sich an, schweigend vor Ratlosigkeit.
    »Okay, dann spreche ich es halt aus«, unterbrach der Grauhaarige - mittlerweile hatte er sich als Kyrgon vorgestellt - die Stille. »Die Frage, die uns vermutlich allen auf den Lippen liegt: Warum wir?«
    »Bitte?« Nicole blinzelte verwirrt. Ihr stand die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben, und auch Ben und Ellie waren sichtlich am Ende ihrer Kräfte. »Was meinen Sie?«
    »Na, warum sind wir hier - wo immer hier auch ist? Warum gerade wir?« Kyrgon hatte sich mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, nun aber gab er sich einen Ruck und begann, nachdenklich
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