Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0965 - Die zweite Unendlichkeit

0965 - Die zweite Unendlichkeit

Titel: 0965 - Die zweite Unendlichkeit
Autoren: Simon Borner
Vom Netzwerk:
der nächsten menschlichen Siedlung entfernt, und außer unseren Wärtern niemand von uns wusste, waren immer noch die Tiere da. Zumindest in dem Sinne, dass wir sie spürten. Wir waren vom Leben vergessen, und doch wussten wir, dass es Leben gab .«
    Zamorra hob die Brauen. Zu gern hätte er mehr über den erschreckenden Werdegang der Campbell-Geschwister erfahren, aber er wusste, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt für Nachfragen war. »Und da draußen…«, murmelte er und deutete zum Fenster, hinter dem noch immer diese bizarre Ewigkeit des Nichts vorherrschte.
    Ben schüttelte den Kopf. »Kein Leben. Gar nichts. Weit und breit.«
    Ellie schluckte. »Wir dachten schon in Dead Man's Creek, wir seien allein. Aber das da…«
    Wo sind wir? Das war die entscheidende Frage, nicht? Erst wenn er sie beantworten konnte, würde er - vielleicht - einen Ausweg finden. Zamorra befürchtete es zumindest. Und dieser Kyrgon hat schon ganz recht: Warum wir?
    Kyrgon hatte inzwischen begonnen, die Schubladen und Fächer des Schranks weiter zu durchforsten.
    Plötzlich hob er eine rechteckige Blechdose in die Höhe, als handele es sich dabei um einen Pokal. »Riecht nach Kaffee«, verkündete er überrascht. »Möchte jemand welchen? Vorausgesetzt, ich finde hier auch Wasser.«
    Professor Zamorra sah hinaus in die Unendlichkeit und das Nichts, den Kopf voller Fragen. »Aber nur, wenn er stark ist«, murmelte er gedankenverloren. » Richtig stark.«
     
    LEVEL II
    Kapitel 4: Der Planer im Dunkeln
    Es war das Amulett.
    Zamorra spürte es genau: Je länger dieser eigenartige Kyrgon redete, desto wärmer wurde Merlins Stern auf seiner Brust. Als wäre ihm die Dauerpräsenz dieses Mannes wie eine Provokation. Die Tatsache war gleichermaßen beruhigend wie beängstigend.
    Die unfreiwillige Schicksalsgemeinschaft saß noch immer um den Tisch versammelt und zermarterte sich das Hirn, um einen Sinn in ihre Lage zu bringen. Bislang war es ihr nicht gelungen. Einzig Kyrgon schien sich nicht mit Grübeleien aufzuhalten. Zamorra war, als halte ihn seine aggressive Art davon ab, in Gefahrensituationen mehr als nur die Gegner zu sehen.
    Allerdings wirkte er durchaus verwirrt, denn seine Kräfte halfen ihm hier nicht mehr. Es lag auf der Hand, dass er dieses Gefühl nicht kannte.
    Plötzlich stutzte der Professor. War das vielleicht ein gemeinsamer Nenner? Kyrgons versagende Eigenschaften und die Tatsache, dass Amulett und Dhyarra ebenfalls streikten? Es wurde Zeit, den Mann im dunklen Mantel endlich auf seine Vergangenheit anzusprechen. Hoffentlich zettele ich damit keinen Streit an.
    »Sie sind ein Räuber, richtig?«, begann der Professor und unterbrach Kyrgons Redefluss kurzerhand. »Jemand, der sich nimmt, was er will. Für jemanden wie Sie gibt es keine Grenzen, von daher halten Sie sich auch nicht an sie.«
    Kyrgon wandte den Kopf zu Zamorra. »Was kümmert's Sie?«, fuhr er ihn an.
    »Hier? Nichts. Bisher. Aber dort, wo wir herkommen, wären wir vermutlich auf verschiedenen Seiten der Front. Vorausgesetzt, ich schätze Sie nicht völlig falsch ein.«
    Niemand sagte ein Wort. Alle schienen den Atem anzuhalten. Zamorra musste an zwei Kampfhunde denken, die sich gegenseitig anknurrend gegenüberstanden. Der Hüne mit dem grau melierten Haar schlug die langen Beine übereinander. Dann lachte er kurz auf. »Ein Gutmensch, also. Schau mal an. Unser Professor hier mischt sich in anderer Leute Existenzen ein und spielt sich zum Richter auf.«
    »Kein Richter«, sagte Zamorra ruhig. »Ich versuche nur, zu retten, was bedroht ist.«
    »Und Sie vergessen dabei, dass die gesamte Welt auf darwinistischen Prinzipien fußt«, widersprach Kyrgon lautstark. »Der Stärkste überlebt, so war es schon immer. Und der Überlebende entscheidet nun einmal, wie der Laden läuft. Wer auf der Strecke bleibt, hat's doch nicht anders verdient.«
    Das war ein klares Ja , erkannte Zamorra. Mein Instinkt trügt mich also nicht. »So kann nur jemand sprechen, für den Rücksicht ein Fremdwort ist. Sagen Sie, Kyrgon: Wenn Sie sich entkörpern, oder wie immer Sie es nennen, sind Sie dann auf materiellen Gewinn aus? Oder trachten Sie gar Menschen nach dem Leben?«
    Der Mann im langen Mantel sprang auf, ballte die Fäuste. Es war offensichtlich, dass es in ihm kochte und loderte. Aber er hielt sich zurück.
    Vermutlich, weil er weiß, dass seine alten Tricks hier nicht greifen.
    »Erwarten Sie etwa, dass ich mich für das rechtfertige, was ich bin ?«, blaffte Kyrgon den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher