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0965 - Der Killerbaum

0965 - Der Killerbaum

Titel: 0965 - Der Killerbaum
Autoren: Jason Dark
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er keine Vogelstimme und kein Blätterrascheln. Es war windstill.
    Ihm gegenüber, am anderen Rand der Lichtung, entdeckte er einen alten Baum, über den er sich gewundert hatte, solange er diesen Waldweg überhaupt ging.
    Der Baum war etwas Besonderes. Er war nicht sehr hoch. Dafür hatte er aber einen unwahrscheinlich dicken Stamm, mit einer ebenfalls dicken aschgrauen Rinde. Dieser Stamm wirkte wie ein kurzer Hals, der nicht aus einem Kopf hervor, sondern aus dem Erdboden ragte, und genau dort gab es die zweite Besonderheit.
    Es war das Geflecht der Wurzeln, das sich aus irgendwelchen Gründen aus dem Boden hervorgedrückt und an die Oberfläche geschoben hatte.
    Gut, Malcolm Lindner war nicht in dieser Gegend aufgewachsen, war auch kein Biologe, aber dieser Baum mußte schon etwas Besonderes sein, denn ein derartiges Flechtwerk hatte Lindner noch nie gesehen.
    Nicht in diesen Breiten. Das gab es in den Sümpfen der tropischen Länder, wo die Mangrovenwurzeln aus dem Wasser hervorragten. Hier, bei diesem Baum, sahen sie ähnlich aus. War der Baum tot?
    Das mußte er eigentlich, denn trotz des Frühjahrs trug er kein einziges Blatt.
    Dennoch lebte er, jedenfalls die Wurzel. Noch immer breiteten sie sich aus.
    Lindner hatte es nicht nachgemessen, aber er hatte ein gutes Auge und oft genug an dieser Stelle hier gestanden. Das Wurzelwerk war weiter gewachsen, als wollte sich der Baum selbst auf die Reise machen.
    Es waren immer neue Sprößlinge entstanden. Kleine Wurzeln, krumm wie alte Gichtfinger, hatten ihren Weg nach vorn und auch zu den anderen Seiten hinweg gefunden, als wollten sie mit ihren dünnen Spitzen den Waldboden aufkratzen.
    Das war schon unheimlich. Selbst für Lindner, der sich gut auskannte. Er konnte sich nicht daran erinnern, sich an einem der Tage schon mal so unwohl gefühlt zu haben wie an diesem. Es paßte ihm alles nicht in den Kram: das Schweigen der Vögel, dann dieser Baum mit den frei liegenden Wurzeln, die schon wieder Nachschub bekommen hatten.
    Ja, Nachschub. Er wußte es genau. Einige Sprößlinge waren bereits bis dicht an den Rand der Lichtung herangewachsen. Malcolm sah nicht, wo sie den Boden verlassen hatten. So festigte sich immer mehr die Überzeugung, daß die Wurzeln des Baums nicht in der Erde wuchsen.
    Eine Sensation wäre das gewesen. Wurzeln, die überirdisch wuchsen.
    Welche Kraft steckte darin? Lindner fing an, darüber nachzudenken, und er bewegte sich dabei gedanklich nicht auf der Stelle, denn plötzlich dachte er darüber nach, ob es der Baum wohl schaffte, sich aus eigener Kraft voranzubewegen. Einfach gehen, zu hüpfen, zu federn…
    Lindner lachte über sich selbst. Nur klang das Lachen nicht fröhlich, sondern eher krächzend, als hätte es keine Lust, so richtig den Rachen zu verlassen.
    Ein wandernder Baum!
    Quatsch, das gab es nur im Märchen. Das hätte er seinen Enkeln erzählen können, wenn er welche gehabt hätte.
    Jedenfalls nahm er sich genau zu diesem Zeitpunkt vor, über das Problem mit einem Fachmann zu reden. Zum Glück kannte er den Förster des Reviers. Der sollte sich den Baum einmal anschauen und ihn genauer untersuchen.
    Für Malcolm Lindner war der Spaziergang beendet. Er wollte auch nicht mehr die kleine Runde drehen, sondern von hier aus direkt nach Hause laufen. Da hatte er die nötige Ruhe, um über das Phänomen nachzudenken. Unter Umständen würde er sich auch noch mit dem Förster in Verbindung setzen, denn Zeit genug hatte er.
    Plötzlich hörte er das Rascheln von Laub. Er kannte das Geräusch genau, es war ihm alles andere als fremd. Und in dieser Stille war es besonders deutlich zu hören.
    Wieso raschelte das Laub? Es herrschte doch Windstille. Da hätte überhaupt nichts zu hören sein dürfen.
    Er vernahm es wieder.
    Und diesmal wußte Malcolm Lindner sofort, woher das Geräusch geklungen war.
    Vor ihm!
    Genau in der Mulde.
    Nach seinem Dafürhalten stand er zu weit von deren Rand entfernt. Er ging einen großen Schritt nach vorn und hielt dabei den Kopf gesenkt, um zu Boden zu schauen.
    Mit dem ersten Blick schon entdeckte er das Phänomen. Das alte, braune und an manchen Stellen schon schwarze und leicht ölig schimmernde Laub bewegte sich tatsächlich, obwohl es von keinem Windstoß auch nur gestreift wurde.
    Ein Phänomen. Nicht zu erklären. Einfach unheimlich. Sein Herz schlug schneller. Er merkte, wie ihm auch der Schweiß stärker aus den Poren trat. Plötzlich war ihm kalt geworden. Mit einer verlegen wirkenden Geste
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