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0955 - Blutiger Dschungel

0955 - Blutiger Dschungel

Titel: 0955 - Blutiger Dschungel
Autoren: Volker Krämer
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Zweifel zu hegen. Rola war um einige Jahre jünger als Artimus - sie war Künstlerin und würde irgendwann einmal platzen, wenn sie das nicht der ganzen Welt zeigen konnte. Es war gekommen, wie es hatte kommen müssen. Rola und van Zant trennten sich in Freundschaft, doch was bedeutete das schon? Vorbei war vorbei.
    Vor einigen Jahren hatte es für van Zant in Algier die Initialzündung zu dem Engagement gegeben, das Artimus heute für Kinder an den Tag legte. In der Altstadt - der berühmtberüchtigten Kasbah - hatte er den kleinen Julo getroffen, der sein Leben mit Betteln und kleineren Jobs zu meistern versuchte. Julo fehlten beide Unterschenkel und sein einziges Fortbewegungsmittel war eine Art Skateboard, das aus einem alten Brett und vier Eisenrollen bestand.
    Artimus hatte den Jungen mit in die USA genommen und gemeinsam mit Robert Tendyke no tears gegründet. So hatte es begonnen - und nun, da zwar der Trust nach wie vor bestand, das Heim für die Kinder jedoch nicht mehr existierte, zog es Artimus van Zant wieder dorthin zurück. Es gab keine logische Erklärung dafür, doch er folgte einfach seinem Gefühl.
    Wie planlos, wie blauäugig er dabei vorging, wurde ihm schon nach wenigen Tagen klar.
    Die Kasbah war eine Stadt in einer Stadt - dort herrschten eigene Gesetze, eigene Regeln. Touristen wurde dringend davon abgeraten, sich ohne kompetente Führung dorthin zu begeben. Aus gutem Grund, denn auf unbedarfte Fremde wartete man dort nur! Raub, Entführung bis hin zu Mord, war das, was dem ahnungslosen Fremden dort durchaus begegnen konnte. Die Polizei von Algier war nur wenig begeistert, wenn sie in die Kasbah gerufen wurde. Nur unwillig ging sie den Notrufen nach - wenn sie denn überhaupt erschien.
    Artimus van Zant war nicht unbedarft, kein Opferlamm, das man im Vorübergehen seiner Wolle entledigen konnte. An ihm bissen sich die Taschendiebe und Schläger die Zähne aus, denn van Zant war durchaus in der Lage sich seines Fells zu erwehren. Doch das half ihm auch nicht weiter, wenn es darum ging, hier so etwas wie eine Kinderhilfe aufzubauen. Auf Unterstützung konnte er nicht hoffen, wie ihm schon rasch vor Augen geführt wurde. Nur wenige hörten ihn überhaupt an - und die winkten dann ganz schnell ab.
    Artimus hatte sich in einer Art Pension ein Zimmer genommen, wenn man die Bruchbude denn so nennen wollte. Zumindest war sie ein Anlaufpunkt für ihn. Wenn er sich spät abends auf die Folterbank legte, die der Pensionswirt irrigerweise als »Bett« bezeichnete, wurde ihm immer deutlich, wie verloren der Posten war, auf dem er hier stand. Große internationale Organisationen wie UNICEF versuchten ständig, die Situation der Kinder hier zu verbessern, doch auch sie bissen auf Granit. Natürlich hätte van Zant sich denen anschließen können, doch noch immer glaubte er an seinen ureigenen Traum. So langsam begann der jedoch zu bröckeln, verlor seine glatte Oberfläche, wenn Tag für Tag neue Stücke aus ihm herausbrachen.
    Es kam ihm daher nicht ungelegen, als sich sein alter Studienfreund O'Hara bei ihm meldete. Artimus hatte sein Handy hier die meiste Zeit ausgeschaltet, doch ab und an rief er dann doch seine Mitteilungen per Mail oder SMS ab. Also trafen die beiden Männer sich mitten in der Kasbah - in einer Kaschemme, in der man von der Limonade bis hin zum Opium wirklich alles bekommen konnte.
    Und O'Hara erneuerte seinen Wunsch, dass Artimus van Zant ihn nach Kolumbien begleiten sollte. Artimus ehemaliger Kommilitone sah aus, als wären die Jahre einfach so an ihm vorbei gegangen. Er war schlank und rank wie damals, hatte nach wie vor dichtes schwarzes Haar, in dem sich nicht ein einziger grauer Ausreißer finden ließ. Artimus hegte allerdings die Vermutung, dass O'Hara da schon ein wenig mit Chemie nachgeholfen hatte. Ganz sicher liefen dem Burschen auch heute noch die jungen Mädchen nach, was ihm früher wütende Blicke seiner männlichen Mitstudenten eingebracht hatte.
    Doch in O'Haras Stimme klang etwas mit, das ahnen ließ, wie viel Unglück, Elend und Gewalt der Mann in seinem Leben schon gesehen hatte. Er schob die leere Mokkatasse von sich, nachdem er sich von Artimus hatte berichten lassen, wie dessen bisherige Zeit hier verlaufen war. Es waren keine strahlenden Erfolge, von denen der Physiker zu erzählen hatte. O'Hara blickte Artimus an.
    »Ich habe vor gut zehn Jahren selbst eine gewisse Zeit hier in der Kasbah gelebt und gearbeitet. Oder sagen wir besser - ich habe es versucht.
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