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0952 - Dr. Sensenmann

0952 - Dr. Sensenmann

Titel: 0952 - Dr. Sensenmann
Autoren: Jason Dark
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auch. Das war der russische Dealer, der erst kürzlich verurteilt worden war. Drei Jahre mußte er sitzen, aber besser hier als in seiner Heimat, wo die Gefängnisse nur stinkende Rattenlöcher waren.
    Es war wie immer. Wie jeden Abend. Nur nicht ganz so schlimm wie bei Vollmond. Da drehten regelmäßig ein paar der Insassen durch.
    Mickey hörte die Wärter. Sie waren auf ihrem letzten Kontrollgang, und er würde für Mickey wie immer gleich verlaufen.
    Die Klappe an der Tür öffnen, der prüfende Blick in die Zelle, mal einen Gutenachtgruß, wenn der Wärter gute Laune hatte, ansonsten schlug er die Klappe zu und verschwand meist wortlos. Nach diesem letzten Gang wurde das Licht gelöscht.
    Mickey Ferrano wußte Bescheid. An diesem Abend würde ein Wärter namens Spencer einen letzten Blick in seine Zelle werfen. Er gehörte zu denen, die sich hin und wieder menschlich benahmen, falls es zu Hause keinen Ärger mit der Frau gegeben hatte. Auch davon wußte Mickey, und er drehte den Kopf, als er das Geräusch an der Tür hörte.
    Rumms! machte es.
    Ferrano drehte den Kopf nach links und schaute in das Gesicht des Mannes, dessen Bart immer grauer wurde. Spencer grinste ihn an. »Wie fühlst du dich, Ferrano?«
    »Wie schon?«
    »Morgen kommst du raus.«
    »Ich weiß.«
    »Und?«
    »Was und?«
    »Bist du nicht irre aufgeregt? Nicht jappig darauf, mal wieder ein Weib zu bekommen? Ich sage dir was. Die Frauen sind in den letzten Jahren noch schärfer geworden.«
    »Juckt mich nicht.«
    »Schade. Ich dachte, ich hätte dir eine Information zukommen lassen können.«
    »Ist schon gut.« Mickey winkte ab.
    Spencer akzeptierte, daß der Mann nicht mehr sprechen wollte - und er sagte: »Jedenfalls wünsche ich dir alles Gute.«
    Rumms! Da war die Klappe wieder zu, und Ferrano wußte, daß bald die Dunkelheit kommen würde.
    Er zog sich nicht weiter aus. Das graue Unterhemd behielt er ebenso an wie die Jogginghose. Nur die Schuhe hatte er abgestreift, als er sich hinlegte. Auf dem Rücken blieb er liegen wie immer, und die Hände hatte er hinter dem Kopf zusammengelegt. Eine typische Geste und Lage für einen Gefangenen, da machte auch Ferrano keine Ausnahme. So hatte er jahrelang gelegen, und dabei war ihm vieles durch den Kopf gegangen, auch seine Tat.
    Er war schuldig, aber er fühlte sich nicht schuldig. Er hatte jemanden zur Hölle geschickt, der es nicht anders verdient hatte. Dieser Meinung war er auch heute noch. Daran hatten die langen Jahre in der Zelle nichts ändern können.
    Wenn es nach dem Ankläger gegangen wäre, hätte er noch länger eingesessen, aber sein Verteidiger hatte ihm durch sein Verhandlungsgeschick weitere Jahre erspart.
    Doch das war nicht der einzige Grund.
    Am nächsten Tag würde er also entlassen werden. Er wußte, daß einige Männer darauf warteten, doch ihn hatte die Angst mürbe gemacht.
    Sie würde kommen. In der Nacht. Noch vor seiner Entlassung, das stand fest.
    Noch brannte das Licht. Noch konnte er sich ein wenig besser fühlen, aber in schätzungsweise einer Minute würde es dunkel werden. Sein Bett stand so, daß er das Fenster unter Kontrolle halten konnte und liegend direkt gegen die Scheibe schaute.
    Es war nicht einmal eine volle Minute vergangen, als es in der Zelle finster wurde. Wie immer hatte Ferrano das Gefühl, ein Tuch vor das Gesicht gepreßt zu bekommen. Es dauerte eine Weile bis er die neuen Lichtverhältnisse verdaut hatte, und sein Blick klammerte sich an den Strahl des Suchscheinwerfers, der regelmäßig für Bruchteile von Sekunden an seinem Fenster vorbeistrich.
    Ferrano wußte, daß viele Beiner Mitgefangenen jetzt die Kerzen anzündeten, obwohl dies verboten war. Aber wer lange genug hier einsaß, der kannte seine Tricks und auch die Verstecke, wo er die Kerzenstummel verbergen konnte.
    Mickey Ferrano blieb im Dunkeln liegen. Er reduzierte und kontrollierte seinen Atem, starrte gegen die Decke, auch mal gegen das Fenster und wartete ab.
    Die Angst würde kommen. Und er würde kommen. Auch an seinem letzten Abend. Aber er ließ sich heute Zeit. Die Minuten verstrichen und hatten sich bereits zu einer halben Stunde addiert, als er das Gefühl spürte, das schlagartig über ihn kam.
    Sein Herz klopfte schneller. Nein, das war schon kein Klopfen mehr, es raste und toste in der Brust, als wollte es alle Hindernisse zur Seite sprengen.
    Gleichzeitig drang der Schweiß wie Bachwasser aus seinen Poren. Er fühlte sich überall naß, auch unter den Armen, und sogar an
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