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0935 - Aibons klagende Felsen

0935 - Aibons klagende Felsen

Titel: 0935 - Aibons klagende Felsen
Autoren: Jason Dark
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die langen Reisen zu gehen. Als ich diese Welt zum erstenmal betrat und ich das Schwert fand, das der damaligen Svenja wohl gehört hat, da wußte ich, daß mein altes Ich verschwunden war. Ich habe die Waffe aufgehoben und den warmen Strom gespürt, der mich durchrieselte. Ich wußte, daß dieses Schwert nur mir gehört. Nie zuvor habe ich mit einer derartigen Waffe gekämpft, nicht als Joanna. Aber als ich es nahm, da war mir klar, daß es von nun an mir gehört wie ich zu dieser Welt.« Sie strahlte uns an, aber kein Lächeln stand in ihren Augen, sondern nur eine erschreckende Kälte. »Als Svenja gehöre ich hierher, versteht ihr? Das ist meine neue Umgebung.«
    »Nein!« widersprach ich ruhig. »Es wird dir nicht gelingen, Joanna.« Ich blieb bei dem Namen.
    »Auch eine Svenja hat damals nicht zu Aibon gehört. Es war ein Zufall oder auch Schicksal, daß dieses Schiff in den Orkan geriet und damit an die Grenze zwischen den beiden Welten. Du hast doch erlebt, was mit der Besatzung des Schiffes geschah. Sie alle ertranken, dich eingeschlossen. Aibon oder Aibons Mächte haben euch Wikinger auch nicht akzeptiert oder für sich behalten, sondern euch in den Tod geschickt. Und so ist es auch heute. Du hast die Grenze noch einmal überschreiten können. Aibon hat es geschafft, die Gegenwart zurückzudrängen, aber man wird dich hier nicht leben lassen, das solltest du mir glauben.«
    »Ich werde bleiben!« sagte sie.
    »Nein. Hast du die Felsen jammern und wehklagen gehört? Darin stecken die Seelen der ertrunkenen Wikinger, während ihre Körper auf dem Meeresgrund vermoderten. Im Laufe der Jahrhunderte haben die Menschen oft das Jammern der Seelen gehört und von unheimlichen Geistern gesprochen. Es ist auch jemand auf die Idee gekommen, Aibon mit diesem Küstenort in Verbindung zu bringen, das alles ist aber nur oberflächlich. Laß dir von uns gesagt sein, daß dieses angebliche Paradies der Druiden für Menschen nichts ist.«
    Ich hatte ruhig und nicht provozierend gesprochen, aber die Frau reagierte anders. »Nein!« keuchte sie, »nein!« Dann glitt sie einen Schritt zurück und hob das Schwert an, an dessen Klinge noch immer das Blut der beiden Toten klebte. »Ihr werdet so enden wie meine beiden Kidnapper. Sie steckten voller Gier. Sie haben den Hals nicht voll bekommen. Sie wollten mich noch einmal entführen, aber ich wollte nicht mehr wie ein Stück Vieh behandelt werden, denn das haben sie getan. Für sie waren die Vergewaltigungen Spaß, für mich war es Elend und Verzweiflung. Sie haben meine Rache zu spüren bekommen. Jeder, der sich mir in den Weg stellt, wird mit dem Leben bezahlen. Auch ihr. Ich werde bleiben, und ihr werdet bleiben - als Tote!«
    »Du wirst es nicht schaffen!« sagte ich.
    »Nein?« sprach sie und lachte dabei. »Werde ich es wirklich nicht schaffen?« Sie duckte sich. »Ihr irrt euch. Ich denke, daß ihr bewaffnet seid - oder?«
    »Sind wir«, sagte Bill und deutete mit der Waffe auf sie.
    »Das waren die anderen auch. Habt ihr die Schüsse gehört?« Sie gab sich selbst die Antwort. »Ja, ihr müßt sie gehört haben. Ihr habt Ohren, und es gibt einfach keine andere Möglichkeit. Ihr habt sie gehört, die beiden haben alles versucht. Sie haben auf mich geschossen, und sie haben auch getroffen, aber die Geschosse sind abgelenkt worden, weil ich unter dem Schutz dieser Welt stehe. Hier ist alles anders. Sie sind geschluckt worden, einfach geschluckt. Versteht ihr das?« Sie schaute in die Höhe. »Ist das nicht ein Zeichen dafür, daß mich dieses Land akzeptiert hat? Ein Reich, das stärker ist als das der Menschen? Das viel mehr Macht besitzt. Das mich aufgenommen hat.«
    Ich schaute Bill an. Er nickte mir zu.
    Auch Joanna hatte das Zeichen gesehen. Sie machte sich kampfbereit, und sie dachte daran, wen von uns sie als ersten angreifen sollte, denn beide auf einmal schaffte sie nicht.
    In diesem Augenblick veränderte sich die Umgebung. Gestalten schoben sich aus dem Hintergrund hervor. Sie sahen aus wie Geister, wie Tote, von denen nur noch Reste vorhanden waren.
    Körper, die auf mich einen feinstofflichen Eindruck machten. Wesen, die auf hellen Pferden saßen, die dünne Flügel auf dem Rücken trugen. Andere, die durch die Luft schwangen, ihre Flügel bewegten und Töne erzeugten wie schöne Musik.
    Aibons eigentliche Bewohner zeigten sich an den Rändern. Sie kamen nicht näher, aber ich kannte sie, denn ich hatte sie schon anders erlebt, als ich in die Mitte des Landes
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