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0924 - Das Totenbuch

0924 - Das Totenbuch

Titel: 0924 - Das Totenbuch
Autoren: Jason Dark
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andere lag noch im dunkeln.
    Trocken, umgezogen aber mit noch feuchten Haaren ging ich in die Küche, mischte Orangensaft mit Mineralwasser und nahm das Glas mit in den Wohnraum. Ich stellte es neben das Telefon, pflanzte mich in den Sessel und streckte die Beine aus.
    Die Jalousien hatte ich vor die Scheiben fallen lassen. So wurde das grelle Licht gefiltert und das Zimmer in ein gewisses Dämmerlicht getaucht, wobei sich auf dem Boden die Muster aus Lichtstreifen und Schatten abmalten. Aber es war noch immer hell genug, um lesen zu können.
    Die erste Seite, die zweite, auch die dritte schaute ich mir an und schüttelte den Kopf. Zu sehen bekam ich nichts, nur den Titel hatte ich noch mal gelesen. Erst auf der vierten Seite ging es los. Sie war mit der Hand beschrieben worden. Der Autor hatte einen Füller mit schwarzer Tinte benutzt, und jedes Wort wirkte wie ein unheimlicher Schatten.
    Ich begann mit dem Lesen und stellte sehr schnell fest, daß es sich hier um die Abhandlung über einen Tod handelte. Es wurde vom Jenseits geschrieben, von den dunklen Welten, von der Sehnsucht und von einem Begleiter, der die Sehnsucht erfüllen konnte. Als ich diesen Inhalt erreichte, da hatte ich bereits vier Seiten umgeblättert, ließ das Buch auf meine Oberschenkel sinken und dachte nach.
    Begleiter, der Schatten, für mich war er ein- und dieselbe Person. Er war auch kein Mensch, obwohl er menschliche Umrisse zeigte. Er war für mich ein Etwas.
    Ein Begleiter, das stand fest. Aber für wen?
    Ich las weiter, und ich wunderte mich darüber, daß nicht mehr über den Tod geschrieben wurde, sondern über das Leben und dessen Sinn. Allerdings nicht im Positiven, denn der Inhalt der folgenden Seiten beschäftigte sich mit den negativen Seiten des Lebens. Menschen wollten nicht mehr in dieser Welt leben, weil sie mit ihr nicht mehr zurechtkamen. Sie waren verzweifelt, sie wußten keinen Ausweg mehr, und mir war klar, worauf es hinauslaufen würde, auf den Suizid, den Selbstmord.
    Darüber las ich wenige Seiten später. Der Selbstmord wurde in den Himmel gehoben. Er war eben das absolute Ende und zugleich der Neubeginn. Und der Begleiter oder der Schatten gehörten zu den Personen, die für den Suizid stimmten, die einen Menschen, der sich dazu entschlossen hatte, in den Tod begleitete.
    Obwohl ich dank meiner Einstellung mit diesen Thesen nicht zurechtkam, sie auch ablehnte, faszinierte es mich doch. Ich las mich praktisch fest und vergaß die Welt um mich herum.
    Es gab eine Person, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Menschen, die sich für den Selbstmord entschieden hatten, in den Tod zu begleiten.
    Wahnsinn!
    Darüber mußte man erst mal nachdenken. Es war eine Sache, der ich nie zustimmen konnte. Nicht nur, daß man sie als ungesetzlich einstufen mußte, ich wußte auch nicht, wie dieser Begleiter oder Schatten den Weg ebnete. Und auch nicht, was der tote Paul Sibelius damit zu tun hatte, der sicherlich mehr über dieses Buch gewußt hatte.
    Es war mitteldick. Die Seiten waren aber nicht alle beschrieben. Etwa in der Mitte endete der Text mit einem folgenschweren Satz, den ich halblaut vorlas.
    »Wenn du ihn finden willst, dann kannst du ihn finden. Er wird aber auch dich finden, wenn du fest entschlossen bist, in den Tod zu gehen…«
    Ich klappte das Buch noch nicht zu, sondern ließ die restlichen Seiten durch die Finger gleiten. Dabei entstand ein Windzug, der auch mein Gesicht traf, so daß ich das Gefühl hatte, von einer kühlen Totenseele umweht zu werden.
    Aber es stieg kein Schatten aus dem Buch. Ich klappte es schließlich zu, legte es auf den Tisch und schaute auf den Deckel, wobei ich darüber nachdachte, wie viele Geheimnisse ich durch das Lesen der Seiten aufgedeckt hatte.
    Schlauer aber war ich geworden. Es gab also irgendwo auf der Welt jemanden, der sich als Begleiter eines Menschen anbot, um ihm den Weg ins Jenseits zu ebnen.
    Wer war dieser Begleiter? Wirklich der Schatten mit dem Messer? Bisher mußte ich davon ausgehen, aber wie paßte dann der Tod des Paul Sibelius in diesen Zusammenhang?
    Damit kam ich noch nicht zurecht. Es konnte möglich sein, daß Sibelius, weil er sich an Bill Conolly gewandt hatte, zum Verräter geworden war. Ob es stimmte, stand in den Sternen, aber ich ging zunächst einmal davon aus.
    Mich schreckte das Geräusch des Telefons auf, und ich hatte wenig später Sir James in der Leitung.
    »Schon gelesen, John?«
    »Ja.«
    »Auch schlauer geworden?«
    »Etwas, Sir, aber nicht
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