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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille
Autoren: Simon Borner
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ebenfalls nicht. Tick tack, Sie verstehen?«
    Dann preschte er vor. Mit der Wucht einer ganzen Horde von Angreifern stürmte der Finstere auf Zamorra zu, riss ihn von den Füßen. Schwungvoll wurde der Dämonenjäger mit dem Rücken gegen eine Hauswand gepresst. Der Schlag trieb ihm die Luft aus der Lunge. Kalte, irreal scheinende Hände griffen nach seinem Hals, drückten zu. »Es wird Zeit, diese Scharade zu beenden«, hisste Dandrono. »Natürlich könnte ich abwarten, bis Sie einem der Zeitbeben zum Opfer fallen, für die mein jüngeres Ich gerade in Gutenbergs Werkstatt Sorge trägt. Oder sie den Slissaks zum Fraß vorwerfen. Aber wie ich dem Drucker bereits klar zu machen versuchte, ist es mir ein persönliches Anliegen und ein Vergnügen, mich um Ihr Ableben selbst zu kümmern, alter Freund.«
    Eine Faust aus geballter Dunkelheit schlug auf Zamorras Magen. Der Dämonenjäger sah Sterne.
    »Der war für die Sache mit Bechtel«, knurrte Dandrono zufrieden, dann schlug er erneut zu. »Und der für Terticus, den alten Klugscheißer. Was bildet ihr euch eigentlich ein, ihr Affen? Denkt ihr wirklich, ihr könntet euch mir entgegenstellen? Lachhaft.«
    Zamorra sammelte all seine Kraft, hob die Arme, schlug auf den Angreifer ein - doch wo immer er Dandrono berührte, glitten seine Hände einfach durch ihn hindurch. So, als wäre der Finstere gar nicht da. Oder nicht greifbar , dachte der Dämonenjäger entsetzt. Er kann mich berühren, aber ich ihn nicht? Das ist nicht fair…
    »Ihr meint, ihr könntet mich aufhalten?«, spottete Dandrono wütend und presste Zamorra noch fester gegen die Wand. »Datei habe ich Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet. Gigantische Schiffe, die brannten, draußen vor der Schulter von Andromeda. D-Beams, glitzernd in der Dunkelheit am Tannhäuser Tor. All diese Momente, verloren in der Zeit. Wie Tränen im Regen.«
    Sein Kehlkopf schmerzte. Seine Lungenflügel schrien nach Sauerstoff, den sie nicht mehr bekamen, denn Dandronos Griff war fest und unnachgiebig. Zamorra trat, schlug und wand sich, so gut er konnte, erzielte aber keinen Treffer. Denn da war nichts, was er hätte treffen können.
    Sein Blick verschwamm.
    ***
    Der Mann aus der Zukunft war verschwunden, doch der Stein glühte noch immer, ein pulsierendes Rot im ewigen Zwielicht des Nebels. Geoffrey Beaumont hockte neben ihm, stützte die Hände auf den schmutzigen, kalten Kraterboden, und schwieg. Wartete.
    Worauf? Er wusste es selbst nicht. Was würde geschehen, wenn Zamorra Erfolg hatte? Würde dann wirklich, wie der Dämonenjäger es vorhergesagt hatte, »alles wieder gut«? Würden sich die Geschehnisse der letzten Wochen - all die Dinge, die Geoff erlebt, getan und erlitten hatte, seit er in dieser grauen Hölle aufgewacht war - ungeschehen machen und es so sein, als wäre es nie soweit gekommen?
    »Was werden Sie machen, wenn es vorbei ist?« Josephines zartes Stimmchen riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Hm?«
    »Na, wenn der Professor Dandrono besiegt. Wenn wir alle wieder zurück an den Anfang gelangen, in unsere eigene Welt und Zeit. Was werden Sie dann machen?«
    Gute Frage. »Ich… weiß es nicht. Nach allem, was war, erscheint mir ein Rückfall in meine alten Gepflogenheiten nur wenig erstrebenswert.« Er lachte und schüttelte ungläubig den Kopf. »So absurd das angesichts dieser grausamen Umgebung auch klingt: In gewisser Weise hat mich diese Sphäre… zum Mann gemacht. Wenn Sie mir das Pathos verzeihen, Miss. Bevor ich herkam, war ich ein Tunichtgut, der sich für wenig anderes interessierte, als für Luxus, die High Society und die Schlafzimmer ihrer hübschesten Vertreterinnen. Und so sehr ich das alles auch genoss, kommt es mir nunmehr furchtbar unwichtig vor. Blasiert und weltfremd.«
    Die Winzertochter lächelte. »Späte Einsicht eines Reumütigen…«
    »Aber genau das ist der Punkt, oder?«, fragte Geoff besorgt. »Angenommen, Zamorra setzt tatsächlich wieder alles auf Anfang, werde ich dann nicht automatisch wieder zu dem Kindskopf, der ich damals war? Miss Becker, ich habe Slissaks getötet. Ich habe gegen Titanen gekämpft und den Kampf überlebt. Ich habe Nächte in einer römischen Villa verbracht und die Nebelsphäre durchstreift. Und ich habe keinerlei Interesse daran, in ein Leben zurück gezwungen zu werden, in welchem mein größtes Problem daraus besteht, welchen Schaden Lady Patricias Enthüllungen meinem gesellschaftlichen Ruf antun könnten!«
    Sie nickte verständnisvoll.
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