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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille
Autoren: Simon Borner
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Oscar-Wilde-Roman entsprungen und der Inbegriff des britischen Dandys. Mit geübten Handgriffen schob er sich die wohlfrisierten Haare wieder in Position - offenbar hatte der kurze Kampf ihm die Frisur in Unordnung gebracht - und blickte den Meister des Übersinnlichen mit einer Mischung aus Skepsis, unverhohlener Abneigung und… ja, und Eifersucht an. Zamorra konnte es kaum fassen: Glaubte dieser Trottel etwa, er sei hinter Josephine her? Hatte der keine anderen Probleme?
    »Das sehe ich anders«, erwiderte er ungerührt. »Oder haben Sie etwa einen Plan, wie Sie von hier verschwinden können? Ich versichere Ihnen, Slissaks zu fangen ist kein Kinderspiel, Mister…«
    »Beaumont, Geoffrey Beaumont, wenn's beliebt. Und warum sollte ich mich damit befassen, diese grauenvollen Kreaturen zu jagen, eh? Sie lösen sich ja doch auf, bevor man sie schlachten kann.«
    Zamorra schüttelte den Kopf. »Ich suche nach einem Weg, Dandrono aufzuhalten. Bevor auch noch die letzten Barrieren fallen. Dieses Haus hier gehörte einem Bekannten von mir. Vielleicht finden wir hier einen Hinweis.«
    Der Engländer schwieg für einen Moment. »Sparen Sie sich die Suche«, sagte er dann. »Hier gibt es nichts, was ich nicht schon x-mal durchwühlt hätte. Aber falls Sie sich in derartigen okkulten Dingen auskennen, weiß ich vielleicht etwas anderes, dass Sie interessiert.«
    ***
    Das Erdloch war groß, zumindest soweit Josephine das in dem Nebel erkennen konnte. Und es war verdammt tief.
    Sie stand neben Geoff und Zamorra und blickte hinab in den vermeintlichen Abgrund, der sich vor ihnen aufgetan hatte. Schräg fiel das karge, trockene Erdreich hier ab, führte in einer einzigen, staubig-spröden Bahn nach unten und verschwand doch schon wenige Handbreit von der Position der drei Menschen entfernt wieder im Dunst. Aber… irgendetwas war da unten. Das spürte sie. Etwas Großes.
    »Es ist ein Krater«, sagte Geoff, der sie hergeführt hatte, leise. »An seiner höchsten Stelle hat er etwa zehn Meter Durchmesser und ich schätze ihn auf vielleicht sieben, acht Meter Tiefe. Auf meinen Streifzügen durch die Sphäre habe ich ihn vor einiger Zeit gefunden.«
    »Und was ist das da?« Zamorra deutete nach unten. »Wenn ich nicht irre, wird es dort… heller?«
    Josi kniff die Augen ein wenig zusammen und konzentrierte sich auf den Punkt, an den der Professor zeigte. Tatsächlich: Ein leichter Schimmer lag dort in den Schwaden, ein rötlicher Schein, wie das Licht einer kleinen und von dicken Wolken verdeckten Sonne.
    »Das«, sagte Geoff mit einem Seufzer, den Josi nicht so recht einordnen konnte, »ist der Grund, aus dem ich Sie hergebracht habe, Okkultist. Das ist Dandrono.«
    Der Abstieg dauerte länger als erwartet. Der Nebel machte es nahezu unmöglich, sich auf der steilen Fläche halbwegs sicher zu bewegen, und Geoff hatte ihnen eingeschärft, auf keinen Fall das Gleichgewicht zu verlieren. »Wenn Sie fallen und auf den Kristall am Boden des Kraters stürzen, möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken«, waren seine warnenden Worte gewesen.
    Schließlich erreichten sie die Quelle des Lichtes und fanden etwas, das auf den ersten Blick wie ein glühender Stein aussah. Ein uneben rundes Gebilde, gut einen Meter im Durchmesser, mit rauer Oberfläche und mehreren Einkerbungen. Es pulsierte innerlich, leuchtete in einem intensiven Rot und… Irrte sie sich, oder strahlte das Ding Kälte ab? Josi schlug die Arme um ihren Körper.
    »Sieht gar nicht danach aus, oder?« Geoff zwinkerte ihr zu. »Etwas, das glüht, wie heißes Eisen sollte eigentlich warm sein. Zumindest nach unserer Logik. Aber das hier…«
    »Kommt nicht aus unserer Welt«, beendete Zamorra den Satz. »Andere Welt, andere Gesetze.« Der Professor war in die Knie gegangen und ließ seine Hand wenige Zentimeter über dem Gebilde schweben. »Das könnte ein Komet sein, oder ein anderer Himmelskörper. Was lässt Sie vermuten, dass Dandrono etwas damit zu tun hat?«
    Geoffrey hob den rechten Arm und schob den Ärmel seiner Strickweste ein Stück herauf. Kurz unterhalb seines Handgelenks kamen Narben zum Vorschein. »Die Tatsache, dass ich nicht so schlau war, wie Sie. Ich habe das Ding angefasst.«
    Mit knappen Worten berichtete der Engländer, wie er den Stein durch Zufall gefunden hatte. Als er ihn berührte, so erzählte er, war ihm, als habe sich sein Geist auf einmal mit dem des Finsteren verbunden. »Nie im Leben habe ich eine solche Energie verspürt, Zamorra«, sagte er.
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