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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille
Autoren: Simon Borner
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»Mein Verlobter Heinrich sagt immer, dass es die Taten sind, die einen Menschen definieren, nicht seine Außenwirkung. Auf Ihr Verhalten kommt es an. Leben Sie wie der Mann, der Sie sein wollen. Dann sind Sie es auch.«
    »Der Mann, der ich sein werde, wenn das alles vorbei ist, gibt leider keinen Deut auf derartige Weisheiten.« Geoffrey seufzte, angewidert über die Zukunft, die ihn erwarten mochte. »Ihn schert eher die Frage, wie viele Lagen Unterröcke Auktionator Berkeleys siebzehnjährige Tochter wohl unter ihrer Oberkleidung trägt…«
    ***
    »Sterben Sie wohl, Monsieur Zamorra«, hauchte Dandrono und setzte zum finalen Schlag an.
    Und der Meister des Übersinnlichen aktivierte seine letzten Kraftreserven, die er sich für diesen Augenblick aufgespart hatte. Er schloss die Augen, streckte die Arme nach dem substanzlosen Wesen aus - und öffnete seinen Geist. Mit voller Wucht setzte er seine gesamte magische Energie frei.
    ***
    Leben Sie, wie der Mann, der Sie sein wollen…
    Die Worte hallten in Beaumonts Kopf wider, wie eine unausgesprochene Aufforderung. Und der Mann aus dem London des Jahres 1888 begriff. Mit neuer, jede Pore seines Körpers erfüllender Sicherheit blickte er auf und in das rötliche Leuchten des Steines. Dandronos Herzens.
    »Was haben Sie vor?«, fragte Josephine besorgt. Ihr schien die innere Wandlung, die er gerade durchgemacht hatte, nicht entgangen zu sein.
    »Der Mann zu sein, der ich sein will«, antwortete Geoff sanft und wunderte sich selbst darüber, wie ruhig und gefasst er sich dabei fühlte. »Und der verursacht jetzt einen kleinen Herzinfarkt!«
    Mit diesen Worten stieß sich Geoffrey aus der Hocke ab, schoss in die Höhe und ließ sich mit seinem ganzen Körper auf den Stein fallen!
    ***
    Zeit vor seinen Augen. Wie eine Folge aus Bildern, Tönen und Gerüchen, Empfindungen. Immer war da, die umfassende Gleichzeitigkeit aller Dinge und Ereignisse. Er musste sie nur greifen, zu sich ziehen.
    Da war Zamorra, kämpfend mit dem Mann aus Finsternis.
    Da war Gutenberg, erste Gespräche führend mit dem gleichen Wesen, nur einer früheren Version davon.
    Und Geoffrey Beaumont wusste, was er zu tun hatte.
    Es kostete ihn wenig mehr als einen Handgriff, sich in das richtige Bild zu versetzen und dem Lauf der Zeit den Schubs zu geben, den er benötigte, um zu sein, wie er sein sollte.
    ***
    Château Montagne, 2009
    Der Knall war ohrenbetäubend und riss Zamorra aus dem Schlaf. Orientierungslos schreckte er im Bett hoch und blickte sich um, suchte reflexartig nach der Quelle des Geräusches. Doch er sah nur die vertraute Umgebung seines Schlafzimmers im Château Montagne, und er hörte nichts als erholsame Stille.
    Hab ich das Geräusch etwa nur geträumt? Angesichts dessen, was der Meister des Übersinnlichen in den letzten Wochen erlebt hatte, wäre das nicht weiter verwunderlich. Insbesondere seit Merlins Tod waren Dinge in Bewegung geraten, deren Auswirkungen er bis heute nicht ganz abschätzen konnte. Kein Wunder also, wenn seine überreizten Nerven ihm mitunter einen Streich spielten. Zamorra atmete aus und strich sich mit der Hand über die nackte Brust - dorthin, wo eigentlich das Amulett hätte hängen müssen.
    Merlins Stern hatte ihn aus unzähligen gefährlichen Situationen gerettet und ihn vor Angriffen unterschiedlichster Art beschützt, doch das magische Schmuckstück war… seltsam geworden, unkontrollierbar. Zamorra hatte sich entschieden, das Amulett Asmodis zu geben, der versuchen wollte, es wieder zu seiner gewohnten Funktionalität zu bringen. Und seitdem fühlte sich der Meister des Übersinnlichen irgendwie nackt.
    Als er nach einigen Sekunden noch immer keine Bedrohung ausmachen konnte, drehte sich Zamorra beruhigt zu Nicole um, die im Bett neben ihm schlie…
    »Mann«, fuhr sie ihn ablehnend an und öffnete die müden Augen. »Was machst du denn hier für eine Unruhe? Kann man nicht mal mehr zuhause in Ruhe ausschlafen?«
    Zamorra seufzte innerlich. Nici schien nicht gerade sonderlich gut gelaunt zu sein. Sie waren nun schon so lange zusammen und hatten sich eigentlich selten gestritten, doch in letzter Zeit häuften sich die Gelegenheiten, bei denen sie sich - oft genug wegen absoluter Kleinigkeiten - böse in die Haare bekamen.
    »Schlaf weiter«, sagte er sanft, »alles in Ordnung.«
    »Grmph«, machte sie, zog die Bettdecke über den Kopf und drehte sich von ihm weg.
    Leise erhob sich Zamorra, schritt durch das Zimmer und schlüpfte in seine Kleidung.
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