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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille
Autoren: Simon Borner
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Hollywood kaum packender hätte ausmalen können: Er schilderte seine Erlebnisse im Mainz des Jahres 2009, wo plötzlich die Slissaks und die Zeitbeben Einzug gehalten hatten, um die Gegenwart an Dandronos Griff in die Vergangenheit anzupassen. Und wie es der Zufall wollte, war Eusebius in den Wirren dieser Krise just an die Nachfahren des Ordens geraten, dem Nicole gut 500 Jahre zuvor auch begegnet war.
    »Und seitdem sitze ich hier und frage mich, was ich tun kann«, endete der Geologe. »Wissen Sie, Monsieur, seit unserem gemeinsamen Abenteuer in der Eifel hatte ich mir ein weiteres Ereignis ähnlicher Natur herbeigewünscht. Doch nun komme ich mir so machtlos vor. Als wäre alles bereits geschehen und nicht mehr umkehrbar.«
    »Es ist noch nicht vorbei«, sagte Zamorra, und klang ein wenig überzeugter als er sich dabei fühlte. »Ich will versuchen, nach 1455 zu gelangen und zu verhindern, dass diese ganze Sache überhaupt erst begi…« Der Blick des Professors war durch die Kammer geschweift, hatte hierhin und dorthin geschaut und nach Ansätzen gesucht, nach Wegen aus dem Chaos. Nun fühlte sich Zamorra, als habe er einen gefunden, und die Wucht dieser Erkenntnis machte ihn sprachlos.
    Er dachte an Nicoles Bericht. An den Mönch, der vor ihren Augen so rapide und grausam gealtert war. Und an die Beschaffenheit der Zeit, seit Dandrono sie in die Finger bekommen hatte. Was hatte Nicole noch gesagt? Ihr sei dieser Alte stets irgendwie bekannt vorgekommen, doch sie habe dieses Gefühl nie mit einer Person, mit einem Namen verbinden können?
    Das ist das Schlimme an Zeitreiseabenteuern , dachte der Dämonenjäger halb amüsiert und drehte sich wieder Struttenkötter zu. Irgendwie bedingt alles alles andere - sogar wenn es sich selbst widerspricht.
    Dann öffnete er den Mund. »Ich glaube, ich weiß jetzt, was Sie für mich tun können, Eusebius. Wie Sie einen entscheidenden Beitrag in diesem Abenteuer spielen und zu unser aller Rettung beitragen können.«
    In den hintersten Winkeln seines Geistes spürte Zamorra bereits, wie die Farben wiederkehrten und ihn zurückzogen in das Meer aus Bildern und Epochen. Eine weitere Reise kündigte sich an. Er hieß sie willkommen und hoffte nur, dass er Struttenkötter zuvor noch sagen körnte, was er ihm sagen musste. Was er ihm irgendwie, irgendwo offensichtlich schon längst gesagt hatte .
    »Was?« Die Miene des Geologen hellte sich auf, und er sah Zamorra aufmerksam an. Nahezu freudig. »Was kann ich tun. Sagen Sie es mir.«
    Zamorra verschwand. Sein schimmernder Pseudo-Körper löste sich auf und es war, als würde sein Verstand in einen Abfluss hineingezogen, um an einem anderen Ort wieder zu entstehen. Mit letzter Gedankenkraft klammerte sich der Meister des Übersinnlichen an dieses 2009 und stieß die drei Worte aus, die ihm noch auf der Zunge lagen.
    »Holen Sie Anlauf.«
    ***
    Eusebius Struttenkötter sah, wie der französische Parawissenschaftler vor seinen Augen verschwand. Von einem Moment auf den anderen war Zamorra, der noch eben einer Geistererscheinung gleich in der abgestandenen Luft der unterirdischen Domkammer geschwebt hatte, fort. Spurlos und folgenlos.
    Obwohl…
    Die letzten Worte des Dämonenjägers von der Loire hingen noch in der Luft, hallten in Eusebius' Geist wider. Was hatte er damit gemeint, er solle Anlauf holen? Anlauf für was? Wie sollte Struttenkötter denn helfen, wenn er plötzlich zu joggen begann?
    Ratlos blickte er sich um und sah die Mönche, die noch immer vollkommen baff hinter ihm standen und Löcher in die Luft starrten. Struttenkötter wollte sich schon abwenden, da fiel ihm auf, dass er sich irrte. Die Brüder um Benedikt und Rufus sahen nicht ins Leere. Sondern zu ihm, direkt und unverhohlen. Und in ihren Augen lag ein Verständnis, wie es der Geologe noch nie an ihnen gesehen hatte.
    »Was…«, begann er fragend.
    Benedikt schluckte. Fuhr sich durch die Haare. Wirkte so, als sei ihm eine große Last von den Schultern genommen worden. »Es ist unglaublich, Eusebius«, sagte der junge Mönch leise. »Aber jetzt sehe ich es auch. Wir alle sehen es. Vermutlich mussten wir erst mit dem Finger darauf hingewiesen werden, bevor wir es erkannten. Schon erstaunlich, wie man die ganze Zeit vor einer Sache stehen kann, ohne sie wirklich wahrzunehmen.«
    Struttenkötter schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht. Welche Sache? Was ist hier los?« Er spürte, dass er kurz vor einem Durchbruch stand, dass der Groschen kippte - doch es
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