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0884 - Sklaven der Hölle

0884 - Sklaven der Hölle

Titel: 0884 - Sklaven der Hölle
Autoren: Volker Krämer
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gegeben?«
    Sinje-Li hob die Hand, wollte ihre Gefangene schlagen - immer und immer wieder, auf die Gefahr hin, sie zu töten. Das war ihr nun auch schon gleichgültig. Doch dann ließ sie Rola einfach los.
    »Warum? Kannst du mir sagen, aus welchem Grund ich gerade dir das erzählen sollte?«
    Rola DiBurn blickte sie von unten herauf an. »Weil ich es wissen möchte, einfach so.«
    Weil sie es wissen möchte… und du? Hast du es je erzählt? Sinje-Li konnte sich daran nicht erinnern, denn Haan war der einzige Vertraute gewesen, den sie im Leben gehabt hatte.
    »Du weißt, dass ich dich töten werden, wenn van Zant hier auftaucht, nicht wahr?«
    Rola nickte. Van Zant - vielleicht würde er ja nie kommen, denn schon während der Attacke auf no tears hatte Rola vergeblich versucht ihn zu erreichen. Vielleicht lebte er ja auch gar nicht mehr.
    Sinje-Li hockte sich auf den kahlen Boden, schlug die Beine unter. Lange starrte sie Rola DiBurn an, dann begann sie zu reden. So oft hatte sie die Geschichte in ihrem Kopf wiederholt, sie immer und immer wieder für sich erlebt. Es war seltsam, nun einen Zuhörer zu haben.
    »Meine Eltern stammten aus Japan. Sie…« Sinje-Li stockte, als würde ihr erneut klar, dass sie im Begriff war, ihr Leben einer Fremden zu erzählen - einer Feindin! Doch dann fuhr sie doch fort. »Sie waren ganz einfache Leute, überhaupt nichts Besonderes. Doch sie sahen in ihrer Heimat keine Chance auf ein Leben, das sie sich wünschten. Sie wollten, dass ihre Kinder vielleicht einmal die Möglichkeit hatten, ein Leben ohne Hunger und Entbehrung zu leben. 1940 tobte in Europa der 2. Weltkrieg, die Japaner waren nicht neutral… meine Eltern hassten die Gesinnung und die Ziele der Nazis. Kurz gesagt - es war halb Auswanderung, halb war es Flucht. Eine japanische Familie in den USA. Vielleicht haben sie wirklich geglaubt, hier würde nun alles besser für sie.«
    Sinje-Li unterbrach ihre Rede. Einige Minuten saß sie nur schweigend da, als würde sie die längst vergilbten Bilder ihrer Erinnerung an die Oberfläche holen. Rola DiBurn spürte, wie das alles die Vampirin packte. Auslöser war der junge Sklave gewesen, ganz eindeutig. Irgendetwas musste sie in ihm gesehen, erkannt haben. Dann setzte Sinje-Li den Bericht fort.
    »Sie waren Träumer, ja, das waren sie. Sie lernten schnell, dass man sie hier nicht unbedingt mit offenen Armen aufnahm. Sie waren Japse, so nannte man sie damals. Dreckige Japse… die ordentlichen Amerikanern nur die Arbeitsplätze wegnahmen. Aber man gab ihnen Arbeit, eine, um die jeder US-Bürger nach Möglichkeit einen weiten Bogen machte. Die Zeiten standen damals überall auf Krieg, also rüstete man auf. Meine Eltern bekamen Jobs in einer Munitionsfabrik. Sie bemühten sich wirklich uns Kindern vorzumachen, wie toll diese Arbeit doch war. Aber auch wenn wir noch klein waren - dumm waren wir nicht… Haan, mein Bruder, und ich.«
    So sehr Sinje-Li auch in ihre Erinnerungen vertieft war, so präzise und empfindlich reagierten dennoch ihre Vampirsinne. Irgendwer ging nahe der Hütte vorbei - ein Satz, und die Vampirin war bei der Tür. Es dauerte einige Minuten, bis sie sich wieder entspannte. Rola wurde klar, wie schwer Sinje-Li zu überraschen war. Die Vampirin war geschult, jedes noch so leise Geräusch, jede kaum wahrnehmbare Bewegung ließ sie reagieren. Und erst jetzt erkannte Kola, dass Sinje-Li Angst hatte… Angst, von van Zant überrumpelt zu werden, ihm in die Falle zu gehen. Zweimal war er ihr über gewesen. Eine Erfahrung, die Sinje-Li offenbar nicht verkraftete.
    Schließlich setzte sie sich wieder, sprach weiter.
    »Ich glaube, ich war damals neun Jahre alt, Haan war sieben, als es geschah. Die Explosion ließ im Umkreis mehrerer Meilen alle Fenster zerbrechen. Plötzlich verfinsterte sich der Himmel hinter dem schwarzen Rauch, der wie eine schwarze Wolkenwand alles Licht auffraß. Wie viele Menschen ums Leben gekommen waren, hat man wohl nie so wirklich herausbekommen - von der Munitionsfabrik war nichts mehr übrig… und keiner der Arbeiter hatte überlebt. Natürlich nicht…« Sinje-Li senkte den Kopf, doch sie riss sich selbst aus der Erinnerung, die sie zu packen schien.
    »Auf jeden Fall gab es plötzlich jede Menge Vollwaisen in dem Ort. Einige wurden bei Verwandten untergebracht, aber die meisten standen vollkommen alleine da. So wie Haan und ich.« Sinje-Li verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. »Und wer wollte schon Japsenkinder? Niemand. Die
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