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0872 - Die Urbanen

0872 - Die Urbanen

Titel: 0872 - Die Urbanen
Autoren: Volker Krämer
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van Zants Stimme ein wenig lauter geworden. Die anderen Gäste des Restaurants hatten ihre Gespräche eingestellt, das Essen unterbrochen. Alles starrte auf den grobschlächtigen Riesen, der es schaffte, dass der arrogante Oberkellner von Sekunde zu Sekunde ein wenig mehr schrumpfte.
    »Und nun nehmen Sie dieses Goldrandtellerchen und verschwinden damit in der Küche. Dann kommen Sie mit einem neuen zu mir zurück - einem, auf dem Fleisch liegt, das man mit bloßem Auge erkennen kann. Das Grünzeug können Sie ihren Kaninchen geben, denn so etwas wächst überall als Unkraut. Haben wir uns verstanden?«
    Der Mann in Livree konnte nicht antworten, nur noch nicken. Hastig entfernte er sich samt dem Teller. Van Zant setzte sich wieder hin - die Qual des Sitzmöbels unter ihm begann erneut. Artimus grinste vergnügt. Das war sicher nicht ganz fair gewesen, denn er hätte mit etwas in dieser Art ja rechnen müssen, als er sich hier umsah. Aber Spaß hatte es ihm dennoch gemacht. Und es hatte seine ein wenig düsteren Gedanken verscheucht.
    Seinen Hunger würde er hier dennoch nicht stillen können.
    Doch das wusste der Südstaatler in diesem Moment ja noch nicht.
    ***
    Paris ist eine unglaubliche Stadt.
    Das Ballungszentrum von ganz Frankreich war prall mit Leben gefüllt - mit Kunst, Emotionen und der Hektik einer Millionenstadt des 21. Jahrhunderts. Natürlich machte all dies zusammen den ganz speziellen Reiz der französischen Hauptstadt aus. Einen Reiz, den Professor Zamorra sich sehr wohl zu entziehen wusste.
    Noch bei jedem Aufenthalt in der riesigen Stadt hatte Zamorra dieses Kribbeln verspürt, bei dem er nie so richtig gewusst hatte, ob er es als positiv einordnen sollte - oder doch eher in die negativ besetzte Schublade?
    Eines war sicher: Wenn der Parapsychologe sich länger als zwei oder drei Tage hier aufhalten musste, dann sehnte er sich heftig nach Château Montagne zurück. Dort in dem kleinen Dorf an der Loire waren die Menschen sicher von einem ganz eigenen Schlag, doch zum Glück nicht so aufgeladen und überspannt wie in dem Moloch Paris.
    Am südlichen Rand der Stadt war von der Hektik ihres Zentrums allerdings nicht so viel zu spüren. Gemeinsam mit Professor Frank Golar schritt Zamorra den breiten Kiesweg entlang, der zu dem großen Gebäude führte, das von hier aus einer Kaserne nicht unähnlich schien. Da war kein Schnörkel zu viel vorhanden - eher ein paar zu wenig. Wer dieses Gebäude auch immer geplant und erbaut hatte, der hatte einzig und allein auf Funktionalität geachtet.
    Wenn es nicht ausgerechnet Gorlar gewesen wäre, der ihn bat, hierherzukommen, hätte Zamorra abgelehnt. Ihm, wie auch seiner Gefährtin Nicole Duval, steckte immer noch das Schottland-Abenteuer in den Knochen, das sie und den jungen Sir Rhett Saris ap Llewellyn in die Tiefen von Loch Ness geführt hatte. In eine rätselhafte Welt zwischen den Wassern. Und bei dem Versuch, den in der Vergangenheit mit dunkler Magie arbeitenden und dem Bösen verfallenen Bruder des damaligen Erbfolgers unschädlich zu machen, waren sie beinahe ums Leben gekommen. Erst das legendäre Ungeheuer von Loch Ness war mit Sir Taranys fertig geworden. Taranys, den Bösen, gab es jetzt nicht mehr…
    Von diesem beinahe tödlich ausgegangenen Abenteuer wollten sie sich erst wieder erholen, ehe sie sich mit anderen Dingen beschäftigten.
    Aber dann war Gorlas Anruf gekommen. Und ihm konnte Zamorra schlecht etwas abschlagen. Also war er nach Paris gefahren.
    Frank Golar war ein Mittsechziger, dessen Figur eher an einen Bauarbeiter als an einen Universitätsprofessor erinnerte. Er hielt sich fit - das Alter spielte da für ihn keine Rolle. Wenn man ihn außerhalb seines Lehrbetriebes suchte, dann konnte man Golar in einem der unzähligen Gyms finden, wie die Fitnessstudios heute allgemein genannt wurden.
    Golar war ein wenig kleiner als Zamorra, doch der Parapsychologe wirkte auf den ersten Blick regelrecht schmal gegen diesen Mann. Frank Golar war seit Jahrzehnten eine feste Größe an der Sorbonne, Frankreichs Geistestempel und Aushängeschild der Bildung. Zamorra konnte sich kaum noch entsinnen, wann er Golar zum ersten Mal getroffen hatte, doch auch damals schon hatte der gebürtige Baske sich neben seiner Professur intensiv mit den Grenzbereichen der Psychologie befasst.
    Zamorra wies mit dem rechten Arm auf das unansehnliche Gebäude. »Wohin bringst du mich, Frank? Willst du mich in die Fremdenlegion verdammen?«
    Golar lachte dunkel auf.
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