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0869 - Der Affengott

0869 - Der Affengott

Titel: 0869 - Der Affengott
Autoren: Alfred Bekker
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Affen machten sich offenbar einen Spaß daraus, durch die leeren Augen- und Mundhöhlen der Schädel hindurch zu fliegen.
    Aber auch sie schienen allergrößten Respekt vor jenem Wesen zu haben, das auf dem Thron saß und von dem sie wussten, dass es ihr Herr war.
    Ein Herr, der absolute Unterwerfung forderte und jeden Hauch von Ungehorsam grausam bestrafte.
    Es reichte schon ein leises Knurren, um die in dem eigenartigen Schädel-Mobile herumturnenden Kleiniemuren augenblicklich zur Räson zu bringen und in eine andächtige Erstarrung zu versetzen, in der sie dann aufmerksam den Anweisungen ihres Herrn und Meisters lauschten.
    Eines Herrn und Meisters, den keiner von ihnen je gesehen hatte, obwohl er doch vor ihnen auf dem Schädelthron saß und niemand seine Anwesenheit ernsthaft bestreiten konnte.
    Ein Schattenfeld umgab Heng Son, den dunklen Bruder des geliebten Affengottes Hanuman, von dessen Existenz die meisten Sterblichen nichts ahnten. Und diejenigen, die von seiner Existenz wussten, versuchten ihn so schnell wie möglich zu vergessen, damit er sie nicht bis in ihre Albträume hinein verfolgte. Denn auch das war Heng Son - der Herr der Albträume.
    Der Umriss des Schattenfeldes hatte keine eindeutigen Konturen. Es ging kaum merklich in das Halbdunkel über, das in dem Thronsaal herrschte. Kein Lichtstrahl vermochte es, in dieses Dunkelfeld einzudringen und es zu erhellen.
    Viele Geschichten rankten sich um Heng Son. Sowohl unter den Sterblichen, als auch unter den Lemuren erzählte man sich, dass sich der dunkle Bruder des Affengottes in den Zeitaltern seiner Herrschaft über das vergessene Land und die vergessene Stadt Sarangkôr sehr stark verändert hätte.
    Aber wer hätte dies schon bezeugen können, da ihn seit Jahrhunderten niemand mehr gesehen hatte?
    Und Herrschaft war Heng Sons Ansicht nach auch das völlig falsche Wort, um seine gegenwärtige Existenz zu charakterisieren. Ein Herrscher war er nur für seine Untertanen und willigen Knechte, die er mithilfe seiner schwarzmagischen Fähigkeiten und Kräfte in seinen Bann zu ziehen vermochte.
    Er selbst sah sich anders.
    Ich bin ein Verbannterl, dachte er. Einer,; dem man die Wiederkehr auf ewig versagen wollte - aber diese Zeit nähert sich dem Ende. Die Macht der alten Götter ist im Schwinden begriffen und meine nimmt zu. Ich werde sehr bald schon mächtiger auf die Erde zurückkehren, als ich sie seinerzeit unter Zwang verlassen musste…
    Niemand konnte sehen, wie sich unter dem Schattenfeld knöcherne, siebenfingrige Hände zu Fäusten ballten. Da war so viel Zorn, so viel Hass, so viel Lust an namenloser Grausamkeit, die sich in all den Jahrhunderten aufgestaut hatte. Wie oft hatte er davon geträumt, seine Herrschaft des Schreckens und der Finsternis zu etablieren. Niemanden, der ihm auch nur im Entferntesten hätte gefährlich werden können, würde er verschonen. Diesmal nicht!, schwor er sich. Diesmal soll es anders kommen, als damals.
    Ich hatte die Gelegenheit, meinen Bruder und seine Helfershelfer zu vernichten , erinnerte er sich, aber ich habe diese einmalige Gelegenheit verstreichen lassen…
    Wen willst du denn nun dafür verantwortlich machen, außer dich selbst?, meckerte in der hintersten Ecke seiner finsteren Seele eine kritische Stimme, die Heng Son am liebsten auch zum Schweigen gebracht hätte. Das erwies sich allerdings bisweilen als viel schwieriger als der Umgang mit seinen Gegnern, mit denen er kurzen Prozess zu machen pflegte. Es war dein eigenes Versagen, deine eigene Feigheit, die dich in deine jetzige Situation gebracht hat. Verbannt in ein Land, das nicht umsonst »das Vergessene« genannt wird. Du kannst von Glück reden, dass man dich in all diesen Jahren nicht auch vergessen hat…
    Das Schlimme und Qualvolle für Heng Son war die Erkenntnis, dass diese unangenehme Stimme aus den Tiefen seiner Seele recht hatte. Es war tatsächlich sein Versagen, das zu dem Desaster geführt hatte.
    Heng Son, der Meister der schwarzen Magie, hätte ein Ritual von ungeahnter Macht ausführen können, um seine damaligen Gegner auf alle Zeiten zu vernichten. Nie wieder hätte jemand ihm dann seine Herrschaft streitig machen können.
    Aber Heng Son hatte gezögert.
    Die Folgen, die die Beschwörung derart unkalkulierbarer Mächte nach sich ziehen konnte, hatten ihn zurückschrecken lassen. Dabei hatte er weniger an die Folgen für andere als an die gedacht, die ihn selbst treffen konnten.
    Ich hätte es riskieren müssen, eventuell die
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