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0869 - Der Affengott

0869 - Der Affengott

Titel: 0869 - Der Affengott
Autoren: Alfred Bekker
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Kontrolle über diese schwarzen Mächte zu verlieren und selbst vernichtet zu werden , überlegte er. Eine Erkenntnis, die um viele Jahrhunderte zu spät kam, das wusste er wohl. Und doch führte Heng Son sie sich immer und immer wieder vor Augen. Was wäre geschehen, wenn er sich damals, in seinem Kampf gegen die anderen Götter anders entschieden und alles auf eine Karte gesetzt hätte?
    Nichts hätte schlimmer sein können, als die Situation, in der er sich so lange befunden hatte.
    Seine Gegner von damals - allen voran der Affengott Hanuman selbst - hatten jenen Mut gehabt, der ihm gefehlt hatte. Sie hatten die eigene Vernichtung riskiert, als sie gegen Heng Son zu Felde gezogen waren und ihn schließlich in das vergessene Land verbannt hatten. Mitsamt seiner Stadt Sarangkôr.
    Aus Fehlern wird man klug , dachte der Herr des Schädelthrons. Und ich werde denselben Fehler sicherlich kein zweites Mal machen…
    Eher beiläufig registrierte Heng Son, dass sich die Kuttenträger vor ihm niederknieten. Sie stimmten einen murmelnden Gesang an, der hin und wieder durch ein schrilles Kreischen eines Lemuren unterbrochen wurde.
    Heng Son erhob sich.
    Für einen Betrachter war nur zu sehen, wie sich die Position und Ausdehnung der Schattenzone etwas veränderte.
    »Erhebt euch, meine Diener!«, grollte eine tiefe, heisere Stimme aus dem Dunkel dieses Schattens heraus.
    Die Kuttenträger gehorchten.
    Sie standen in einem Halbkreis da und warteten ab, was nun geschah.
    Ein Arm aus purer Dunkelheit wuchs aus der Schattenzone heraus, griff scheinbar wahllos nach einer der Gestalten, umschlang sie und zog sie zu sich heran, sodass sie innerhalb des Schattens mit einem unterdrückten Schrei verschwand.
    Schmatzende Laute waren im nächsten Augenblick zu hören, dazu ein knackendes Geräusch.
    Das Bersten von Knochen…
    Anschließend stöhnte Heng Son wohlig auf.
    Etwas wurde aus der Schattenzone hinausgeworfen und landete inmitten des Halbkreises.
    Eine blutdurchtränkte Kutte.
    Der Herr von Sarangkôr ließ sich wieder auf seinem Schädelthron nieder.
    Blut rann die Stufen hinab, die hinauf zu dem quaderförmigen Podest führten, auf dem der Thron stand.
    »Und jetzt erneuert eure Gefolgschaft zu mir!«, forderte Heng Son unmissverständlich.
    Die Kuttenträger ließen ihre grob gewebten Gewänder einer nach dem anderen zu Boden gleiten. Die nackten Körper von starr dreinblickenden Männern und Frauen kamen zum Vorschein. Ihre Augen wirkten leer und seelenlos, die Mimik wie eingefroren.
    Das flackernde Licht der Fackeln schimmerte auf ihrer nackten Haut und gab Kratzspuren siebenfingriger Krallenhände in den unterschiedlichsten Größen frei. Manche dieser Wundmale waren bereits vernarbt, andere frisch verkrustet.
    Die geflügelten Affen wurden unruhig. Selbst jene, die bis dahin friedlich und eher angstvoll in den Ecken gekauert hatten, begannen jetzt, aktiver zu werden. Sie erhoben sich von ihren Plätzen und starrten mit ihren leuchtenden Augen interessiert auf die Körper jener Sterblichen, die Heng Son zu seinen Dienern auserkoren hatte. Knurrende und schmatzende Laute waren zu hören. Die Lemurenwinzlinge an der Decke stellten ihre Flugmanöver durch die Öffnungen der Totenschädel ein. Sie verharrten ruhig in der Luft, bewegten dabei ihre Flügel mit der atemberaubenden Geschwindigkeit von Kolibris und warteten anscheinend auf ein Signal ihres Herrn und Meisters.
    Dieses kam in Form einer Folge von konsonantenreichen Silben, die aus einer längst vergessenen Sprache zu stammen schienen.
    Kreischend stürzten sich die geflügelten Affen auf die ungeschützten Körper der Sterblichen.
    ***
    »Vielleicht begreifen Sie jetzt, mit welchen Mächten Ihr Vater sich eingelassen hat«, sagte Zamorra ernst.
    Valerie Cordonnier wirkte abwesend. Sie schien dem Meister des Übersinnlichen nicht richtig zuzuhören. Suchend ließ sie den Blick im Arbeitszimmer umherkreisen.
    »Vermissen Sie irgendetwas?«, fragte Nicole.
    Valerie schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte sie beinahe tonlos.
    Sie seufzte hörbar.
    Dann musterte sie einen Augenblick lang Nicole auf eine Weise, die Zamorra nicht richtig zu interpretieren wusste, und sagte schließlich: »Vielleicht war Ihr Vorschlag, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen ganz gut… äh… Mademoiselle oder Madame Duval?«
    »Nennen Sie mich Nicole«, erwiderte Zamorras Lebensgefährtin.
    Valerie zuckte die Achseln.
    »Wie Sie wünschen.«
    Sie wandte sich zur Tür.
    Zamorra und
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