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0868 - Die Toten-Krypta

0868 - Die Toten-Krypta

Titel: 0868 - Die Toten-Krypta
Autoren: Jason Dark
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hinschaute. Er hatte den Eindruck, daß sich das Fenster über ihm in eine kleine Bühne verwandelte, auf der sich die Szenen der Nacht abspielten.
    Seine Augenlider wurden schwer und schwerer. Nur mit Mühe konnte er sie offen halten. Irgendwo tobten Vögel durch das Geäst der Bäume. Ihr Zwitschern und Schreien kam ihm schon weit, weit weg vor. Sein Körper war so entspannt, daß Barry davon ausgehen mußte, ihn nicht in seinem Besitz zu haben.
    Er schwamm weg…
    Der Mond wanderte weiter. Er hatte die Sonne abgelöst und bewegte sich auf seiner uralten Bahn, um mit seinem bleichen Glotzauge die Menschen zu beobachten.
    Auch Barry F. Bracht.
    Er sah ihn ebenfalls.
    Noch einmal riß er die Augen auf, als wollte er dem blassen Erdtrabanten einen letzten Gruß schicken, dann spürte er unsichtbare Hände, die sich an seinem Körper zu schaffen machten und ihn wegzogen.
    Wohin?
    Das wußte er selbst nicht.
    Er fiel und fiel.
    Der Schlaf, die Dunkelheit, die Tiefe, das alles verschluckte ihn wie ein großes, gieriges Maul…
    ***
    Finsternis!
    Endlos, nicht mehr zu messen. Funkelndes Sternenlicht dazwischen, das All.
    Grenzenlos und doch begrenzt. Zeit, die da nicht so existierte, wie Menschen sie relativiert hatten.
    Alles war anders, so gewaltig, leer und doch gefüllt.
    Ein See ohne Wasser, ohne Ufer, ein Stück Ewigkeit und Philosophie. Und darin eine Gestalt. Nicht mehr als ein Schatten. Konturen und dimensionslos, ein Haufen Materie, der unterwegs war zu anderen Ufern, der Zeiten durchschnitt und Grenzen hinter sich ließ.
    Barry F. Bracht war unterwegs.
    Nein, nicht er, sondern Zebulon, der Schattenkrieger, die Traumgestalt, das zweite Ich des Mannes.
    Es hatte sich auf die Reise begeben, denn die Strahlen des Mondes hatten es aus dem Körper geholt und sorgten für die Realisierung eines Traums. Er war nicht mehr Barry F. Bracht, denn der Lektor lag unter dem offenen Fenster und schlief. Er war in eine tiefe Starre verfallen, sein Atem war kaum zu hören, er glich einer Hülle, aus der die Energie hervorgetreten war, um sie in einer anderen Form wieder entstehen zu lassen, eben als Zebulon.
    Er hatte den Ruf empfangen.
    Mehr ein Schrei nach Hilfe.
    Zebulon wußte auch, wer ihn gerufen hatte. Sie war es gewesen - sie, die ihm so ähnlich war, die sich deshalb auch gefunden hatten. Sie kam nicht mehr zurecht. Sie rief nach ihm, und dieser Ruf glich einem Schrei nach Hilfe.
    Sie war selbst eine Gefangene, ohne es richtig zu wissen. Sie war Täterin und Opfer zugleich, und Zebulon wollte nicht, daß sie auch weiterhin eine Täterin blieb.
    Er mußte sie retten.
    Sie waren sich begegnet auf ihren Reisen durch andere Dimensionen und durch die Welt der Träume. Er hatte sie eigentlich nie als Gestalt in seiner Schattenkrieger-Welt gesehen, aber er hatte ihre Träume erlebt, verbunden mit den Schreien nach Hilfe, denn die Macht der großen Luna ließ sie nicht los.
    Von allein würde sich Emily nicht befreien können. Sie benötigte Hilfe, und Zebulon hatte ihren Hilferuf aufgenommen. Er wollte ihr beistehen, er wollte für sie sorgen, aber er spürte auch, daß es anders laufen würde, als er es sich ausgemalt hatte.
    Es gab da einen Störfaktor.
    Man war ihr auf der Spur.
    Und es waren ausgerechnet Menschen, die er als Barry F. Bracht und als Zebulon zu seinen Freunden zählte. Sie waren Emily ebenso auf die Spur gekommen wie er ihr, eine verfluchte Ironie des Schicksals, das er nicht hatte beeinflussen können.
    Trotzdem wollte er das Mädchen nicht fallen lassen, denn er wußte genau, wie mächtig La Luna war.
    Tot und noch vorhanden.
    Ein unseliger Geist, der einfach bekämpft werden mußte. Und Zebulon hatte sich vorgenommen, dies zu tun…
    ***
    Den Weg zum Arztzimmer kannte ich. Dabei ließ mich Claire nicht aus den Augen, und sie hielt sich dicht an meiner Seite. Auch war sie noch immer nicht davon überzeugt, daß ich bei Prudomme Rückendeckung hatte, was die Behandlung der Patientin anging, und das versuchte sie mir mehrmals klarzumachen.
    Ich enthielt mich einer Antwort. Es war mir einfach zu dumm, mit dieser Frau darüber zu diskutieren.
    »Ich werde ihm auch detailliert erklären, wie Sie sich der Patientin gegenüber verhalten haben, Monsieur Sinclair. Ob er dann so hundertprozentig auf Ihrer Seite steht, wage ich zu bezweifeln.«
    »Bezweifeln Sie, was Sie wollen, Madame, aber lassen Sie mich in Ruhe meine Arbeit machen.«
    »Arbeit machen?« Beinahe wäre sie stehengeblieben. »Was denn für eine
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