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0862 - Der Leichenmantel

0862 - Der Leichenmantel

Titel: 0862 - Der Leichenmantel
Autoren: Jason Dark
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überstanden. Sie brauchen keine Angst mehr zu haben.«
    Ihre Augendeckel bewegten sich. »Die… die habe ich aber. Es ist nicht alles vorbei, das spüre ich.«
    »Tatsächlich?« Sie hatte nicht gesehen, wie Suko und ich uns gegenseitig angeschaut hatten. Sollte diese schwache Person möglicherweise mehr über die Nonnen wissen? Es konnte sein, denn sie hatte bei ihnen als Gefangene gelebt.
    »Da gibt es noch etwas.«
    »Und was?«
    Durch den offenen Mund holte sie Luft. »Das weiß ich auch nicht, aber es ist da. Ich kann es nicht fassen. Es hat sich festgehakt, es läßt sich nicht vertreiben.«
    »Ist es böse?«
    »Ja, ja!«
    Die Antwort hatte ehrlich geklungen. Suko flüsterte mir zu, ob sie wohl den Selbstmord der Namenlosen gemeint hatte, aber danach wollte ich sie nicht fragen. Wenn Naomi etwas wußte, dann würde sie es uns auch so erzählen. Noch hielt sie sich zurück. Wir sahen ihr an, daß sie überlegte. Auf ihrer Stirn erschienen Falten. In ihrer Kehle entstand ein leises Räuspern.
    »Ist es noch dort?« fragte ich, »im Kloster?«
    »Ich glaube…«
    »Sind es die Frauen?«
    »Auch…«
    »Was ist es noch?«
    »Es ist da. Es ist aus einer tiefen Zeit gekommen. Das Böse… aus der Vergangenheit. Die… die Frauen wissen es. Ich habe sie sprechen hören, denn sie haben sich oft darüber unterhalten. Sie haben laut genug geredet. Sie wollten den Tod überwinden. Jemand muß ihnen geholfen haben. Er war immer bei ihnen.«
    »Aber nicht Josephiel…«
    »Nein.«
    »Ein anderer, der abtrünnig geworden ist?«
    »Ich kenne ihn nicht«, flüsterte Naomi. »Er ist mir unbekannt. Ich habe ihn nie gesehen. Die Frauen auch nicht. Sie haben nur immer von ihm gesprochen.«
    »Was wird er tun?«
    »Kann nichts sagen, wirklich nicht. Ich kann auch nicht denken. Die Kopfschmerzen, bitte… ich habe Durst.«
    Suko eilte hinaus, um ein Glas frisches Wasser zu holen. Ich blieb mit Naomi allein, und sie faßte zitternd nach meiner Hand. Ich war überrascht von ihrem Händedruck. Sie hielt mich fest und sprach davon, wie schrecklich alles noch kommen würde. Dann sagte sie: »Ich spüre das Grauen überall. Es ist, als wäre nichts passiert. Es wird jemand zurückkehren, glaube ich…«
    »Pssst, Naomi, Sie sollten jetzt schlafen.«
    »Ja, das ist gut.«
    Suko kehrte zurück. Ich nahm das Glas entgegen, das zur Hälfte gefüllt war, und klemmte es zwischen die Hände der jungen Frau. Dann half ich ihr, es an den Mund zu führen. Sie trank und schaute uns dabei dankbar an. Erst als der letzte Tropfen in ihrem Mund verschwunden war, zeigte sie sich zufrieden.
    »So«, sagte ich, »wir werden wieder nach Ihnen schauen. Keine Sorge, wir sind noch etwas länger hier im Ort.«
    »Danke, John, danke…« Das letzte Wort war kaum noch zu verstehen. Die große Müdigkeit hatte sie überkommen. Naomi wirkte wie jemand, der in ein tiefes Loch gestürzt war und dabei die Augen geschlossen hielt.
    Ich nickte Suko zu. »Laß uns gehen, alles andere wäre Zeitverschwendung.« Auf Zehenspitzen gingen wir zur Tür. Erst vor dem Zimmer atmeten wir durch. Die Frappis befanden sich in der Küche, wir hörten von dort ihre Unterhaltung.
    »Was meinst du?« fragte Suko.
    »Hast du alles verstanden, was sie sagte?«
    »Zum Großteil.«
    »Dann brauche ich ja nichts zu wiederholen.«
    Suko zeigte ein kantiges Lächeln. »Darf ich fragen, was du aus den Worten folgerst?«
    »Fragen kannst du, aber ich kann dir keine konkreten Antworten geben. Sie hat gesagt, daß es noch nicht vorbei ist, und so ähnlich denken wir ebenfalls.«
    »Was ist nicht vorbei?«
    »Frag mich leichtere Dinge. Fest steht, daß sich die Namenlosen umgebracht haben, um gewissermaßen in ein anderes Leben einzutreten, wie immer du das auch interpretieren willst. Eins steht fest. Es ist gut gewesen, daß wir noch nicht zurück nach London gefahren sind. Hier wird noch die Post abgehen.«
    »Okay, was tun wir?«
    »Ich habe Hunger.«
    Suko grinste breit. »Ach wie schön. Das darf doch nicht wahr sein.«
    »Du nicht?«
    »Doch, aber in Anbetracht der Dinge, die da auf uns zukommen könnten…«
    Ich tippte ihn an und unterbrach ihn. »Sehr richtig, Suko, auf uns zukommen könnten. Wir haben noch Nachmittag und hatten uns vorgenommen, dem Kloster erst am frühen Abend einen Besuch abzustatten. Ich brauche einfach was in den Magen.«
    »Da werde ich dann nicht nachstehen.«
    In der Küche schauten uns die beiden Frappis an. »Na, wie geht es unserem Patienten?«
    »Er schläft
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