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0862 - Der Leichenmantel

0862 - Der Leichenmantel

Titel: 0862 - Der Leichenmantel
Autoren: Jason Dark
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korrekt?«
    »Ja.«
    »Dann stehen wir vor einer Mauer.«
    Silvio Frappi hob die Schultern. Danach trank er einen Schluck Kaffee. Auch ich war fast mit meinem Latein am Ende. Trotzdem fragte ich den Mann, ob er jemand kannte, der möglicherweise besser über die Frauen informiert gewesen war.
    »Ich glaube nicht.«
    »Auch nicht der Pfarrer?«
    Er lächelte. »Wir haben hier keine Kirche, nur im Nachbarort.«
    Da hatte er recht. Auch mir kam erst jetzt so richtig zu Bewußtsein, daß ich keinen Kirchturm gesehen hatte. »War das schon immer so?« wollte ich wissen.
    »Si.« Er hob die Schultern. »Wir waren zu arm, um eine Kirche zu bauen. Die im Nachbarort reicht uns.«
    »Dann haben sich die abtrünnigen Nonnen wirklich einen für sie guten Ort ausgesucht.«
    »Das kann man sagen.«
    »Was wissen Sie eigentlich über das Kloster?« fragte Suko, der seine Kenntnisse zusammengekratzt hatte.
    »Tja - was weiß ich? Es war schon immer da. Auch als ich zur Welt gekommen bin.«
    »War es denn auch besetzt?« hakte ich ein.
    »Nein, das nicht.«
    »Es stand immer leer?«
    »Das nicht gerade. Es haben sogar mal Soldaten dort gehaust. Das liegt allerdings lange zurück. Es waren italienische Soldaten, die aus der Lombardei kamen, aber durch die hohen Berge hier ihre Grenzen fanden und sich für einige Zeit festgesetzt haben. Wie sich die Männer im einzelnen mit den Bewohnern verstanden haben, das weiß ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie sehr willkommen waren.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Sonst weiß ich nicht viel darüber.«
    »Was ist mit Mönchen?«
    »Da waren wohl welche hier.«
    »Wissen Sie darüber etwas?«
    »Überhaupt nicht. Es ist wirklich so, daß sich die Bewohner um das Kloster kaum gekümmert haben. Mag sein, daß frühere Generationen mehr Kontakt zu ihnen gehabt haben.«
    »Ja, mag sein.«
    Er lächelte. »Anscheinend fällt es Ihnen schwer, das Desinteresse zu akzeptieren. Oder liege ich da falsch?«
    »Nicht ganz«, gab ich zu.
    »Was stört Sie denn?«
    Ich schaute auf die hölzerne Tischplatte. »Das ist nicht einfach zu sagen, Silvio. Mich stören schon gewisse Dinge, die ich allerdings schlecht in Worte kleiden kann.«
    »Versuchen Sie es trotzdem.«
    »Okay.« Mit dem Daumennagel schabte ich über meine Stirn. »Ich habe das Gefühl, als wäre etwas zwischen den Mauern, das dort nicht hingehört. Es ist schwer für mich, es Ihnen begreiflich zu machen, weil Sie mit der Materie nicht vertraut sind. Ich werde Ihnen sagen, was ich damit meine. Es ist das Böse…«
    Frappi schaute mich an. Er wühlte sein Haar durch, dann nickte er mir zu. »Das Böse, wie?«
    »Richtig.«
    »Was ist das Böse? Soll ich Ihnen sagen, was ich darüber in der Schule gelernt habe? Wobei ich sagen muß, daß ich keine höhere Schulbildung habe. Ich habe alles in einer Dorfschule gelernt, aber das lassen wir jetzt mal weg. Uns wurde erzählte, daß derjenige böse ist, der sich gegen das Gesetz stemmt.«
    »Das stimmt. Und weiter?«
    »Dann haben wir noch einen Ausdruck für Gut und Böse gefunden. Das Gute ist der Himmel und alles, was damit zusammenhängt. Das Böse ist das Gegenteil davon, die Hölle. Diesen Glauben haben sich die meisten Menschen hier bewahrt, unter anderem auch ich.«
    »Nicht schlecht gedacht, Silvio.«
    Er war überrascht. »Sie stimmen mir zu? Das wundert mich.«
    »Nein, im Prinzip haben Sie recht. Es gibt diese Polarisierung, das steht zweifelsohne fest.«
    »Dann denken Sie auch so?«
    »Natürlich - auch wenn ich zugeben muß, daß wir die Dinge differenzierter betrachten. Wir kennen eben zu viele Facetten, die sich innerhalb dieser beiden Gebiete aufgebaut haben. Tatsache bleibt, daß in diesem Kloster etwas Böses geschehen ist…«
    »Die Selbstmorde.«
    »Sicher. Aber die müssen einen Grund gehabt haben, Silvio. Es kommt ja nicht von irgendwoher. Es muß ein Motiv geben, und wir werden versuchen, es zu finden.«
    Er nickte schwerfällig. »Das ist das eine Problem, John.«
    »Und was ist das andere?«
    »Zehn Leichen.« Er schauderte, als er mir diese Antwort gab. »Zehn Leichen haben Sie gezählt. Jetzt werden ich Sie fragen, wohin damit? Was haben Sie vor? Hier wird die Polizei erscheinen. Die Männer werden Fragen stellen, es wird und muß eine Unruhe geben. Zudem müssen die toten Frauen abtransportiert werden.«
    »So könnte es laufen.«
    »Und warum sollte es nicht so laufen?«
    Ich hob die Schultern und zeigte ein skeptisches Gesicht. »Mein Freund und ich zögern
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