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0862 - Der Leichenmantel

0862 - Der Leichenmantel

Titel: 0862 - Der Leichenmantel
Autoren: Jason Dark
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noch, dem voll zuzustimmen. Es kann durchaus sein, daß es noch eine andere Möglichkeit gibt. Sollte dem so sein, werden wir sie herausfinden müssen.«
    »Da stimme ich Ihnen zu, ohne überhaupt zu ahnen, um was es im Prinzip geht.«
    »Das wissen auch wir noch nicht.«
    »Haben Sie denn einen Plan?«
    »Keinen genauen, Silvio. Jedenfalls werden wir noch einmal in das Kloster zurückkehren und auch die Nacht abwarten, bevor wir der hiesigen Polizei Bescheid geben.«
    »Das hat doch einen Grund.«
    »Selbstverständlich.«
    »Welchen?«
    Ich hob die Schultern. »Pardon, aber wir wissen es nicht. Wir kennen ihn leider nicht. Vielleicht passiert etwas in der Nacht oder schon am Abend, aber das ist Spekulation. Ich möchte Sie noch einmal darum bitten, Silvio, daß Sie über unser Gespräch strengstes Stillschweigen bewahren, selbst Anna gegenüber.«
    »Sie können sich auf mich verlassen.«
    »So«, sagte ich, »und jetzt möchte ich trotz allem noch nach Naomi schauen.«
    »Ich bringe Sie hin.«
    Frappi stand auf. Er war ein wenig durcheinander und nicht mehr der gleiche wie noch vor einigen Stunden. Meine Ausführungen hatten ihm einen leichten Schock versetzt, was durchaus verständlich war. Mit derartigen Dingen wird man nicht jeden Tag konfrontiert. Mit müden Schritten ging ich auf die Tür zu, drückte sie auf, um den Wohnraum zu betreten.
    Suko und ich folgten ihm.
    Das Zimmer war rustikal und gemütlich eingerichtet. Durch die kleinen, viereckigen Fenster drang genügend Sonnenlicht. In den strengen Wintern wurde die Kälte abgehalten. Der bullig aussehende Ofen war aus Steinen errichtet worden, denen man eine türkisfarbene Glasur gegeben hatten. Um den Ofen herum zog sich die Sitzbank, auf der bunte Kissen ihre Plätze gefunden hatten.
    Durch eine zweite Tür gelangten wir in die Küche. Dort rauschte Wasser. Anna Frappi war damit beschäftigt, Salat zu waschen. Sie lächelte uns zu, als wir an ihr vorbeigingen und einen schmalen Flur erreichten. An den Holzwänden hingen kleine Bilder, die allesamt fromme Motive zeigten. Wir sahen aber auch Familienfotos, und die dort abgebildeten Menschen sahen so aus, als hätten sie jeden Tag dem Berge ein Stück abgerungen, um es für sich zu nutzen.
    Die Tür zu Naomis Zimmer war verschlossen. Silvio war vorgegangen, er klopfte nicht an, sondern drückte behutsam die Klinke nach unten und öffnete.
    Unser Blick fiel auf zwei Betten. Eines stand links an der Wand, neben dem Fenster, das andere rechts. Das rechte war belegt, das linke tagsüber nicht, denn in der Nacht schlief dort Carla.
    »Brauchen Sie mich?« fragte Silvio.
    »Nein, danke wir kommen allein zurecht.«
    Er nickte und zog sich zurück.
    Naomi, die einen abtrünnigen Engel geliebt und von ihm zwei Kinder empfangen hatte, lag auf dem Rücken wie ein vergessene Puppe. Sie zeigte mit keiner Reaktion an, daß sie etwas von unserem Eintritt bemerkt hatte. Ihre Augen waren halb geschlossen, das Gesicht zeigte eine Landschaft aus Mull und Pflaster. Ihr Mund wirkte wie fein gezeichnet, die Lippen hatten ihre normale gesunde Farbe verloren. Sie waren einfach blaß geworden.
    Wir blieben neben dem Bett stehen. Es war still geworden, so daß wir Naomis gleichmäßigen Atem hören konnten. Die Luft strömte aus ihren Nasenlöchern, und dicht vor dem Kinn bewegte sich das dünne Laken der Bettdecke.
    Ich hatte Zweifel, ob sie in der Lage war, mit uns zu reden, da öffnete Naomi die Augen. So schnell, daß selbst wir überrascht wurden.
    Sie schaute uns an.
    Dunkle Augen, schöne Augen, sie selbst war auch eine Schönheit, da hatte dieser abtrünnige Engel schon einen guten Geschmack besessen, und Naomi mußte diesem gutaussehenden Mann regelrecht verfallen sein. Sonst hätte sie sich ihm nicht hingegeben.
    Wir lächelten ihr zu.
    Naomi lächelte zurück. Langsam hob sie die Hand, und wir griffen abwechselnd nach ihren Fingern.
    Die übliche Frage stellte ich mit leiser Stimme. »Wie geht es Ihnen?«
    »Ich lebe…«
    »Das ist prima«, sagte Suko.
    »Ich habe auch Schmerzen. Im Gesicht und im Kopf. Und dann muß ich immer wieder an das Schreckliche denken, als die beiden Kinder starben. Auch das Haus und…«
    »Nicht reden.«
    Sie hörte nicht auf mich. »Das Haus, das Kloster, ich war gefangen.«
    »Aber jetzt sind Sie frei.«
    »Nein!«
    Die Antwort überraschte uns beide. »Warum haben Sie das gesagt?« fragte ich.
    »Ich muß immer daran denken.«
    »Bitte, Naomi, das sollten Sie nicht tun. Es ist alles
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