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085 - Von den Morlos gehetzt

085 - Von den Morlos gehetzt

Titel: 085 - Von den Morlos gehetzt
Autoren: Peter T. Lawrence
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zum Gericht will? Ich hab zwei verdammte Harrys auf dem Pelz sitzen.“
    „Den Mediziner.“
    „Der Lausebengel ist nicht da. Hat sich wieder rumgetrieben. Der Bastard wird vermutlich bei einem dieser Flittchen im Bett liegen. Ein verdammter Rumtreiber ist er, der Mediziner. Und so was will einmal Arzt werden, Herr! Der Teufel soll dieses Studentengesindel holen. Sollten mal arbeiten, die Kerle, dann kämen sie nicht auf dumme Gedanken.“
    „Er sagte mir, daß er hier mit einem Freund zusammenwohnt“, antwortete Warren ungeduldig. „Einem gewissen George.“
    Der Alte sah ihn wütend an.
    „Auch so einer! Liegt immer noch im Bett und glotzt die Zimmerdecke an. Als gäbe es keine Schule und keinen Unterricht. Man müßte es melden in der Schule. Man müßte es einfach melden.“
    Warren hörte kaum auf das Geschwätz des Alten. Die Angst, die ihn für kurze Zeit verlassen hatte, kehrte zurück. Er spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat, und er konnte kaum noch das Zittern seiner Hände verbergen.
    „Ich muß ihn sprechen“, sagte er mühsam beherrscht. „Es ist wichtig.“
    „Holen Sie ihn nur raus aus dem Bett, den verlausten Kerl“, rief der Alte böse. „Alles faule Bastarde. Möchte nur wissen, was mich dazu treibt, Leute wie dieses Studentenpack bei mir aufzunehmen.“ Er gab die Tür frei und rang die Hände. „Ich zahle nur drauf dabei“, sagte er jammernd. „Ich schwör’s bei allem, was mir heilig ist, ich setze nur zu.“
    „Wo finde ich das Zimmer?“
    „Oben. Die Treppe rauf, gleich die erste Tür. Und geben Sie ihm einen Tritt, wenn er nicht aus dem Bett kommt. Das ist die Sprache, die diese Kerle verstehen.“
    Warren ließ den Alten weiterjammern und stieg die Treppe hinauf. Es roch nach kalten Kohl- und Fischdünsten im Haus. Die Stufen waren ausgetreten und schief, der Treppenaufgang dunkel. Keine auch noch so winzige Lampe spendete Licht.
    Er klopfte und wartete eine Weile. Als er keine Antwort bekam, öffnete er die Tür und trat ein. Der Junge, der ihm vom Bett aus mit weit aufgerissenen Augen entgegensah, war etwa 22 Jahre alt. Das rotblonde Haar hing ihm wirr in die Stirn. Er kauerte wie ein aufgeschrecktes Tier in einer Ecke seines Bettes.
    „George?“
    Kaum eine Reaktion. Der Junge war fertig, völlig fertig, Warren ging langsam auf das Bett zu, das direkt unter dem Fenster an der gegenüberliegenden Wand des kleinen Raumes stand.
    „Bleiben Sie stehen!“ George wich nun bis in die hinterste Ecke des Bettgestelles zurück. Seine Stimme hatte kaum mehr etwas Menschliches. „Keiner darf an mich heran“, schrie er. „Niemand, verstehen Sie? Niemand!“
    Er begann zu schluchzen. Der Arzt blieb stehen.
    „Ich wollte zu Harry“, redete er beruhigend auf ihn ein. „Der Mann, der mir die Tür öffnete, sagt, er wäre heute nacht nicht nach Hause gekommen. Wissen Sie, wo er sich aufhält?“
    Ein irrer Glanz trat in die Augen des Jungen. Plötzlich begann er zu kichern, brach wieder abrupt ab und sagte heftig atmend: „Und ob ich weiß, wo er sich aufhält. Ich weiß es, aber ich sage es nicht. Ich weiß alles. Viel mehr als Sie, Herr. Aber kein Wort sage ich.“ Seine Stimme sank plötzlich zu einem beschwörenden Raunen ab: „Ich werde schweigen! Wir haben nichts gesehen, Harry und ich. Überhaupt nichts.“
    Ohne Zweifel, der Junge war reif für den Psychiater. Dr. Warren wollte sich ihm nähern. Sofort schrie der Junge wie am Spieß.
    „Weg! Sie sollen weggehen. Niemand darf mich anfassen.“
    Warren blieb erschüttert stehen.
    „Warum nicht, George? Warum läßt du niemanden an dich heran? Wovor fürchtest du dich? Ich bin Arzt, ich könnte dir helfen.“
    „Arzt!“ sagte der Junge verächtlich.
    „Mein Name ist Dr. Warren. Harry und ich sind befreundet.“
    „Warren … Warren … ah, Sie sind dieser Leichenschänder“, rief George mit wutverzerrtem Gesicht. „Sie wollen die Leichen haben, nicht wahr? Gehen Sie doch. Holen Sie sich selber Ihren Toten. Sie werden sich wundern! Ja, wundern werden Sie sich.“ Er begann meckernd zu lachen, sah sekundenlang aus dem Fenster. Dann brach das Lachen ab und große, angstvoll aufgerissene Jungenaugen blickten Warren an. „Es ist Tag, es ist hell. Ich glaube, tagsüber kriegt man sie nicht zu sehen. Sie kommen nur mit der Nacht … nur mit der Nacht, Doktor. Aber mich kriegen sie nicht! Ich lasse keinen an mich heran.“
    „George, Junge, nimm dich zusammen. Niemand will dir etwas tun. Du kannst mir
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