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0838 - Welt ohne Himmel

0838 - Welt ohne Himmel

Titel: 0838 - Welt ohne Himmel
Autoren: Volker Krämer
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hinter der Tür, die sich hinter den beiden Männern wieder schloss, war hell und freundlich. Chaotisch eingerichtet, ja, doch Hobbler hatte mit einer düsteren Kammer gerechnet, in der er sich allerhöchstens auf den nackten Boden hocken konnte. Beinahe magisch wurde er von einer Art Liege angezogen, die ihm bereits beim Ansehen beste Entspannung für die geschundenen Glieder versprach. Der Alte ließ den Gangläufer gewähren, als sich der auf den weichen Polstern ausstreckte.
    Fasziniert betrachtete Hobbler die Lichtquellen an der Decke. »Warum ist es hier so hell? Ich kenne diese Ebene doch seit vielen Einheiten, aber…«
    »Was du kennst, das ist vergleichbar mit deiner Ebene. Aber hier - hinter den Wänden - ist vieles anders. Nein, falsch gesagt: alles ist anders, Hobbler.«
    Der Gangläufer wagte nun endlich einen direkten Blick in das Antlitz des Alten. »Woher kennst du meinen Namen? Du…« Hobbler blieben die Worte im Hals stecken, als er das von einem wilden Haarschopf und einem recht ungepflegten Vollbart umrahmte Gesicht betrachtete. »Du… das kann ja nicht sein. Du bist… Wodlog? Ein Märchen… du bist nur eine Figur aus alten Geschichten. Das kann nicht sein!«
    Das Grinsen des Alten wurde breit. »Was redest du da? Eine Figur? Dabei sind wir uns doch schon begegnet. Lange her… du warst ja noch ein Kind, aber schon damals habe ich gefühlt, dass dich deine Neugier einmal in große Schwierigkeiten bringen muss. Du willst dich nicht daran erinnern?«
    Hobbler versuchte, den Wirrwarr in seinem Kopf unter Kontrolle zu bringen. Am liebsten wäre er aufgestanden, hätte die Flucht ergriffen, denn mit Geistern wollte er nichts zu schaffen haben. Also gab es sie dann doch? Die Worte des Alten irrten in seinen Gedanken umher. Er hatte ihn als Kind getroffen? Aber das war doch nur ein Traum gewesen. Oder? Hobbler war wirklich noch ein Kind gewesen, als seine Schwester zu Tode stürzte. Rika und er waren durch die Gänge getobt. Und die Schwester hatte das Bodenloch nicht bemerkt… Ihr Schrei hallte noch heute oft durch Hobblers Träume.
    Da war dieses Seil gewesen, primitiv aber wirksam am Rand des Loches befestigt. Und Hobbler hatte all seinen Mut zusammengenommen… noch nie hatte er sich in die Tiefe gleiten lassen. Doch Rika brauchte seine Hilfe. Als der Junge den Boden der unteren Ebene erreichte, da sah er ihn … diesen Mann, der sich über Rikas Körper beugte. Hobbler schrie Rikas Namen, wollte den Mann wegschieben, doch der fasste ihn nur sanft bei den Armen und hielt ihn mühelos fest.
    »Komm, wir bringen die Kleine wieder auf eure Ebene. Ist sie deine Schwester gewesen?«
    Hobbler hatte nicht antworten können. Gewesen? Rika war tot…
    Er konnte sich nur schwach daran erinnern, wie der Mann ihn und Rika an dem Seil hängend wieder nach oben gebracht hatte. Die folgende Zeit lag für den Gangläufer im Dunkel seiner verstörten Seele. Es hatte lange gedauert, bis er wieder klar hatte denken können. Und er begann, die Gänge seiner Ebene zu erforschen… und die, der anderen Ebenen…
    Hobbler sah seinen Gegenüber an. »Du kannst nicht mehr leben. Niemand lebt so viele Einheiten. Warst du es, der…« Er brach den Satz ab, weil seine Kehle plötzlich furchtbar ausgetrocknet war. Kein Wort wollte sich mehr formen lassen.
    Der Alte reichte ihm wortlos einen Becher. Skeptisch roch Hobbler an dem Inhalt. Wodlog klang ein wenig belustigt, ein wenig verärgert. »Ja glaubst du denn, ich hätte dich vor dem wild gewordenen Killer gerettet, um dich jetzt zu vergiften? Trink, Junge. Du wirst sehen, wie gut dir das tut.«
    Hobbler registrierte beim ersten vorsichtigen Schluck, wie angenehm süß und betörend das Wasser schmeckte. Wasser… das war mit Sicherheit durch irgendeine Ingredienz angereichert, die der Gangläufer aber nicht kannte. Er merkte nur schlagartig, wie die Flüssigkeit seine Lebensgeister weckte.
    »Bei den Goldenen Pforten! Was ist da drin?« Er fühlte sich mit einem Schlag erfrischt, mehr noch - seine Laune schwang sich in Höhen, die er lange nicht mehr erlebt hatte.
    Der Alte zuckte nur mit den Schultern. »Spielt keine Rolle. Trink langsam, du bist das nicht gewöhnt.«
    Die Warnung kam zu spät, denn Hobbler hatte den Becher bereits gierig geleert. Wodlog schüttete grinsend nach. »Vorsicht, das Zeug kann dich auch regelrecht umwerfen. Aber zu deinen Zweifeln: Ich bin es. Warum ich noch lebe? Das habe ich mich schon unzählige Male selbst gefragt.« Er stand auf,
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