Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0838 - Welt ohne Himmel

0838 - Welt ohne Himmel

Titel: 0838 - Welt ohne Himmel
Autoren: Volker Krämer
Vom Netzwerk:
aus Löchern im Boden, die man überspringen musste, denn sie führten oft über mehrere Ebenen hinweg; einen Sturz konnte niemand überleben. Das alles war ein einziges Labyrinth, das man besser im Schlaf kannte, wenn man darin unbeschadet Leben wollte. Leben musste, denn eine andere Welt gab es nicht…
    Hobbler war sich sicher, dass er zu den Bewohnern dieser Welt gehörte, die sich im Labyrinth und zwischen den Ebenen am besten auskannten. Schon als Kind hatte er sich in Ecken und Winkeln herumgedrückt, die seine Altersgenossen voller Furcht gemieden hatten. Die Ammenmärchen der Erwachsenen hatte er nie geglaubt. Geister, die sich plötzlich aus den Hartplast-Wänden schälten, die aus den Löchern mit knorrigen Händen nach ihm griffen… alles Unsinn. Angst musste man nur vor den Lebenden haben.
    Vor Typen wie Gahbur, mit dem er gemeinsam aufgewachsen war.
    Für einige Augenblicke überlegte er, ob es sinnvoll war, die Ebene zu verlassen. Nach oben? Nach unten?
    Gahbur gehörte zu denen, die einen solchen Wechsel nur ungern vollzogen -eine andere Ebene war für den Mörder eine vollkommen andere Welt, in der er sich nicht auskannte. Hilfe war für ihn dort nicht zu erwarten.
    Bei Hobbler sah das schon ein wenig anders aus, denn er hatte Kontakte in beide Richtungen, wenn die auch nur recht halbherzig ausfielen.
    Oben und unten, bedeutete hier: Feinde.
    Man kannte sich nicht - wollte sich nicht kennen.
    Jede Ebene schottete sich nach Kräften gegen die anderen ab. Vor endlos vielen Einheiten musste es offene Kämpfe zwischen den Ebenen gegeben haben, doch auch diese Geschichten hatte Hobbler nie so ganz geglaubt, denn sie waren ausgeschmückt, strotzten vor Heldenmut und rührseligen Episoden. Märchen, nichts weiter.
    Märchen… wie die Glückswelten hinter den Goldenen Pforten…
    Gahburs Stiefel klangen wie Trommelstöcke. Sie schlugen ihren harten Takt auf den Boden, trugen ihren Rhythmus weit in die Gänge hinein. Nur ein Tauber hätte sie überhören können.
    Hobblers linkes Bein zeigte dem Flüchtling seine Grenzen auf. Gahbur kam näher, sehr schnell näher! Nicht mehr lange, dann musste Hobbler dieses Spiel verlieren. Das Spiel und sein Leben.
    Ruhig bleiben. Nachdenken, nur keine Panik. Gahbur war nie ein Gangläufer wie du. Keiner ist wie du - also bist du im Vorteil. Nutze das aus!
    Vor Hobblers innerem Auge entstand das Schema der Gänge, die er leicht erreichen konnte. Was er nun nicht mehr brauchen konnte, das waren Löcher, denn seine Kraft ließ nach. Überspringen würde nicht mehr oft funktionieren… sein Bein schmerzte jetzt schon höllisch.
    Ein Gangläufer war der Killer hinter Hobbler nie gewesen, doch sein untrüglicher Instinkt ließ ihn die Fährte seines Opfers nicht verlieren - Gahbur roch die Angst des Gejagten; Angstschweiß stank entsetzlich, hob sich von allen anderen Gerüchen ab, die den Jäger hätten irritieren können.
    Nur vier Gänge von hier konnte Hobbler sich vor Gahbur in absolute Sicherheit bringen. Der Gedanke putschte den Hinkenden regelrecht nach vorn. Aber er verwarf den Einfall sofort wieder. Nein, auf gar keinen Fall durfte er einen von denen in die Nähe des geheimen Ortes bringen.
    Es musste doch eine andere Möglichkeit geben.
    Aber dort wird Gahbur dich niemals finden… sein kein Narr. Was soll schon geschehen?
    Hobbler schüttelte heftig mit dem Kopf, als könne er so die lockenden Gedanken vertreiben. Nur unter heftigen Schmerzen schaffte er den Sprung über das nächste Loch, doch bei der Landung knickte er ein. Er unterdrückte den Schmerzschrei, denn Gahburs Ohren standen seinem Geruchssinn in nichts nach. Diese Genugtuung wollte er dem Mörder nicht geben.
    Doch es half nun alles nichts mehr. Hobbler musste sich ausruhen, sonst würde das nächste Loch sein-Verderben werden. Der geheime Ort… Hobbler musste das Risiko einer Entdeckung eingehen. Dorthin würde Gahbur ihm nicht folgen. Oder doch? Der Mörder verlor nie eine Fährte, und wenn Hobbler so plötzlich verschwand, dann musste selbst Gahburs kleines Hirn argwöhnisch werden.
    Er würde seine Auftraggeber informieren… und die hatten mehr im Kopf als Töten und Vernichten. Das große Geheimnis durfte nicht in die falschen Hände geraten.
    Wie laut Gahburs trommelnder Lauf bereits war… wie nahe…
    »Zu mir… schnell!«
    Die Hand streckte sich aus dem Loch empor, das Hobbler gerade mit größter Mühe überwunden hatte. Eine Hand… fleischig zwar; kein Knochengebilde…
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher