Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0827 - Der Dämon von Songea

0827 - Der Dämon von Songea

Titel: 0827 - Der Dämon von Songea
Autoren: Andreas Balzer
Vom Netzwerk:
den Raum durchquerte und vor Smolders salutierte, bewegte sich mit der Eleganz einer Raubkatze. In seinen Augen blitzte es tückisch.
    Dieser Mann ist verrückt, dachte Heinrich von Smolders. Was immer dieser verfluchte Kontinent ihm angetan hat, es hat aus ihm einen Wahnsinnigen gemacht.
    Der Bezirksamtmann zwang sich zu einem Lächeln und sagte: »Herr Hauptmann, willkommen in Songea.«
    ***
    Heute
    James Mutombo saß in der schäbigen Hotelbar und prostete der Kakerlake zu, die vor ihm über den Holzboden flitzte. Sie ignorierte ihn. Genauso wie der fast zahnlose Barkeeper, der gebannt auf den plärrenden Fernseher starrte, in dem irgendein billiger Actionkracher lief. Ohne hinzusehen trocknete er dabei bereits seit zehn Minuten ein und dasselbe Glas ab, das dadurch nur noch schmutziger zu werden schien. Die Bar war fast leer, außer James waren nur noch zwei Prostituierte da, die sich leise unterhielten.
    Die beiden Frauen waren Anfang zwanzig, leidlich attraktiv und äußerst adrett, fast damenhaft gekleidet. Seit zwei Stunden nippten sie an ihrem ersten Glas Wein. Ein scheues Lächeln von der einen und ein freundlicher, fast dahingehauchter Gruß von der anderen waren das Aufdringlichste, mit dem sie sich James genähert hatten. Von ihrer Unterhaltung bekam er kaum etwas mit. Nur gelegentlich drang ein leises Kichern an seine Ohren.
    Die Frauen taten James Leid. Sie hatten vermutlich den ganzen Tag noch keinen Freier gehabt, aber sie bewahrten Haltung.
    Was für ein Hundeleben, dachte der Historiker.
    Von ihrem kargen Liebeslohn konnten Huren in einer Stadt wie dieser kaum überleben, und die meisten von ihnen hatten auch noch Aids. Spontan überkam ihn das Bedürfnis, sich zu den Frauen zu setzen und sich mit ihnen zu unterhalten, auch um sich von seiner eigenen düsteren Stimmung etwas abzulenken, aber das hätten sie vielleicht missverstanden.
    Also nippte er weiter an seinem billigen Whisky, der so schmeckte, als dürfe man ihn eigentlich nur zum Säubern von Maschinen verwenden. In der Glotze erledigte gerade ein schlecht frisierter Held mit einer einzigen Pistole ein Dutzend Angreifer.
    Aber gegen das, was diese Menschen in Nysuga umgebracht hat, hättest du auch keine Chance gehabt, dachte James bitter.
    Chief Mbeya hatte ihn rausgeworfen, nachdem der Historiker ihm seinen Verdacht mitgeteilt hatte. »Ich kann meine kostbare Zeit nicht mit diesem Quatsch verschwenden!«, hatte er gebrüllt.
    Doch in seinen Augen hatte James den wahren Grund für den Rausschmiss gesehen. Der Chief hatte Angst! Angst vor dem, was er so vehement als Ammenmärchen abtat.
    Sollte es also tatsächlich wahr sein?
    James Mutombo war ein aufgeklärter Mensch des 21. Jahrhunderts und ein seriöser Historiker. Er hatte in Heidelberg bei Professor Morlang studiert, der größten Koryphäe für deutsche Kolonialgeschichte weltweit, und mehrere Gastsemester an der Sorbonne belegt. Wie die meisten seiner Kollegen hatte er den Maji-Maji-Zauber immer für puren Aberglauben gehalten, eine fatale Lüge, die weit über hunderttausend Einheimische das Leben gekostet hatte.
    Doch dann war er hier, in einem alten, verstaubten Provinzarchiv auf längst vergessene Akten gestoßen, die eine ganz andere Geschichte erzählten. Die Geschichte eines deutschen Kolonialoffiziers namens Ferdinand von Hardenberg, der tief in die Geheimnisse der afrikanischen Magie eingedrungen war und mit ihrer Hilfe die Maji-Maji-Krieger besiegt hatte. Und der dann von seinem eigenen Verbündeten, Bezirksamtmann Heinrich von Smolders, seinen Feinden ausgeliefert worden war, weil er ihm zu gefährlich geworden war.
    Eine absurde Geschichte, für die mich jeder anständige Historiker auslachen würde, dachte James. Doch die Dokumente ließen keinen Zweifel daran, dass zumindest Smolders und seine Untergebenen daran geglaubt hatten, nüchterne deutsche Protestanten, die im Normalfall für afrikanische Magie nur tiefste Verachtung übrig gehabt hätten. Dieser Hardenberg muss ein verdammt überzeugender Bursche gewesen sein.
    James hatte den Weißen Zauberer bisher für einen Wahnsinnigen gehalten, irre geworden an den überwältigenden Eindrücken einer Welt, die er als Europäer einfach nicht verstand, aber charismatisch genug, um auch andere von seiner angeblichen Zauberkraft zu überzeugen - bis ein völlig unerklärlicher Sturm das Denkmal des ehemaligen Bezirksamtmanns zerstört hatte und die Bewohner eines ganzen Dorfes gestorben waren, ertrunken mitten auf dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher