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0827 - Der Dämon von Songea

0827 - Der Dämon von Songea

Titel: 0827 - Der Dämon von Songea
Autoren: Andreas Balzer
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schwerfällig aus seinem Drehstuhl und schrie: »Ich komme ja schon, verdammt noch mal!«
    Den jungen Mann, der ihn schüchtern im Großraumbüro erwartete, hatte Mbeya noch nie gesehen. Der hoch gewachsene Fremde war Ende 20, und er stammte bestimmt nicht aus Songea. Seine nur auf den ersten Blick schlichte Kleidung - kurzärmeliges blaues Hemd und schwarze Jeans - verriet den Fremden. Diese Markenklamotten waren nicht billig gewesen, und ihr Besitzer hatte sie bestimmt nicht in einem der örtlichen Läden gekauft.
    Das ebenmäßig geschnittene Gesicht zierte eine randlose Brille, die dem Fremden ein intellektuelles Aussehen verlieh. Unter dem Arm trug er einen Stapel mit Büchern und Papieren.
    »Was gibt’s denn?«, schnaubte Mbeya kurz angebunden. Ein Stadtjunge hatte ihm gerade noch gefehlt. Möglicherweise sogar ein Studierter. Innerlich schüttelte er sich.
    »Verzeihung, störe ich?«
    »Was glauben Sie denn?«, schnaufte Mbeya. »Was wollen Sie?«
    Unsicher trat der junge Mann näher. »Ich habe von den Morden gehört…«
    »Ach was«, höhnte der Chief. »Sie und wohl 500 weitere Leute.«
    »Ja sicher, aber… Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Mein Name ist James Mutombo. Ich bin Historiker.«
    Er hatte also Recht gehabt, ein Studierter, dachte der Chief missmutig. Ihm blieb auch nichts erspart.
    »Ah, und die Lösung zu dem Morden haben Sie irgendwo in diesen Büchern?«, höhnte er.
    Mutombo lachte unsicher. »Nein natürlich nicht. Obwohl, vielleicht in gewisser Weise schon. Ich arbeite an einer Dissertation über den Maji-Maji-Krieg.«
    In Mbeyas Gehirn schrillten alle Alarmsirenen gleichzeitig los. Maji-Maji, da war es wieder, dieses verfluchte Wort. Maji war das Swahili-Wort für Wasser. Die Aufständischen hatten geglaubt, sie könnten die Kugeln ihrer Feinde durch Zauberei in Wasser verwandeln. Offenbar hatten sie sich geirrt. Die deutschen Kolonialherren hatten mit den Rebellen kurzen Prozess gemacht.
    »Sie glauben, dass dieses Massaker etwas mit dem Aufstand zu tun hat?« Mbeya sah den jungen Historiker ungläubig an. »Das ist hundert Jahre her…«
    »Manchmal ist die Vergangenheit hartnäckig, Chief. Ich bin bei meinen Nachforschungen auf etwas gestoßen. Einen weißem Maji-Maji-Zauberer…«
    »Ein Weißer? Sie spinnen, Stadtjunge! Kein Weißer kennt Maji-Maji!«
    »Dieser hier offenbar schon. Sein Name war Ferdinand von Hardenberg, und er war der Kommandant der Militärstation Songea. Nachdem er den örtlichen Zauberern gewaltsam ihre Geheimnisse entrissen hatte, benutzte er die Macht der Magie, um hier in Songea sein kleines Königreich zu errichten.«
    Ferdy Mbeya dachte an das zerfallene Fort und an die dunklen Geschichten, die man sich darüber erzählte. Geschichten, mit denen er definitiv nichts zu tun haben wollte.
    »Was hat das mit den Morden zu tun?«, fragte er unwirsch.
    »Irgendwann wurde Hardenberg seinen eigenen Leuten unheimlich, und so lockten sie ihn in eine Falle. Sie lieferten ihn einer Gruppe einheimischer Zauberer aus, die an dem Tyrannen blutige Rache nahmen. Einer dieser Zauberer war der Anführer der Aufständischen, Kinjikitile. Ein anderer hieß Machuya…«
    »Sie verarschen mich!«
    »Er war der Urgroßvater des in Nysuga ermordeten Heilers.«
    »Sie glauben doch wohl nicht, dass ich ihnen diesen Mist abkaufe, oder?«, polterte Mbeya. »Das sind Ammenmärchen, Junge. Gehen Sie zurück nach Dar es Salaam, oder wo immer sie herkommen, und vergessen Sie die Sache. Es gibt keine weißen Maji-Maji-Zauberer, und es hat sie nie gegeben.«
    »Wie erklären Sie sich dann das hier?«
    Mutombo zog aus seinem Stapel ein paar Schwarz-Weiß-Fotos hervor. Sie waren sehr alt und an den Seiten schon ausgefranst. Sie zeigten sechs tote Einheimische in der traditionellen Kleidung der Ngoni. Die Leichen lagen aneinandergereiht am Rand einer staubigen Straße.
    »Was ist das?«
    »Diese Fotos sind 1905 gemacht worden, bei einer von Hardenberg angeführten Strafexpedition gegen ein aufständisches Ngoni-Dorf hier ganz in der Nähe.«
    Gegen seinen Willen verspürte der Polizeichef eine eigentümliche Faszination, als er die Bilder näher betrachtete. »Ich erkenne keine Verletzungen. Woran sind diese Menschen gestorben?«
    Mutombos Antwort ließ Mbeya das Blut in den Adern gefrieren. »Sie sind ertrunken.«
    ***
    Tebika
    »Vater, geht es Ihnen nicht gut?«
    Erschreckt fuhr Kiango hoch. Vor ihm auf der Veranda stand seine Haushälterin Maria und sah ihn besorgt an.
    »Nein, es geht
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