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0827 - Der Dämon von Songea

0827 - Der Dämon von Songea

Titel: 0827 - Der Dämon von Songea
Autoren: Andreas Balzer
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sein Urgroßvater den Kopf. Dann schossen seine Hände vor -und glitten durch Kiango hindurch. Eiseskälte breitete sich in der Brust des Priesters aus, als die Hände der geisterhaften Erscheinung in ihn eindrangen.
    Plötzlich konnte er den alten Zauberer verstehen. Es war wie ein Wispern, das von allen Seiten auf ihn eindrang und sich dann zu einem gewaltigen Sturm steigerte. »Der Weiße Zauberer darf nicht noch einmal siegen. Du weißt, was du zu tun hast. Es liegt an dir!«
    »Nein!« Mit einem Aufschrei sprang Kiango zurück. »Dich gibt es nicht. Du bist tot, genau wie dieser Deutsche. Ihr seid Geister. Bleibt dort, wo ihr hingehört! In der Welt der Lebenden habt ihr nichts zu suchen!«
    Kinjikitile sah Kiango stumm an, und unendliche Traurigkeit sprach aus seinem Blick. Im nächsten Moment, von einer Sekunde auf die andere, war er verschwunden.
    Weinend brach Kiango auf dem Fußboden zusammen…
    ***
    1903
    Heinrich von Smolders war ein ordentlicher Mann. Sorgsam schob der Bezirksamtmann von Songea die Krümel zusammen, die beim Stopfen seiner Pf eife danebengefallen waren, und beförderte sie mittels eines kleinen Stücks Papier zurück in die Tabakdose, bevor er die Pfeife anzündete und einen tiefen Zug nahm.
    Er hatte ein schlechtes Gefühl. Und der Verursacher dieses schlechten Gefühls wartete vor seiner Tür darauf, eingelassen zu werden und sich als neuer Kommandant der Militärstation Songea vorstellen zu dürfen.
    Smolders kannte Ferdinand von Hardenberg von seinen regelmäßigen Dienstreisen in die Hauptstadt Dar es Salaam. Seine erste Erinnerung an den jungen Offizier war die eines blassen Jünglings mit verstörtem Gesichtsausdruck. Kaum mehr als ein paar Monate in Afrika hatte Smolders ihm gegeben, doch dann hatte sich Hardenberg unerwartet gefangen und war schnell in der militärischen Hierarchie aufgestiegen. Doch da war immer noch etwas Seltsames, nicht näher Fassbares an ihm, das die Menschen um ihn herum zutiefst beunruhigte.
    »Und Sie sind sich sicher, dass er der richtige Mann für diese Aufgabe ist?«, hatte Smolders gefragt, als ein leitender Offizier aus dem Stab des Gouverneurs ihm die Kunde von Hardenbergs Beförderung überbracht, hatte.
    »Absolut«, hatte Oberstleutnant Otto Herzberg gesagt. »Warum? Zweifeln Sie?«
    »Nun ja, er ist ein bisschen eigenartig. Einige behaupten, er sei nicht ganz richtig im Kopf.«
    Doch Herzberg hatte nur gelacht. »Mag sein. Vor allem ist er aber ein verdammt guter Soldat. Nicht so verweichlicht wie die meisten hier.«
    Sie wussten beide, dass das eine milde Untertreibung war. Ferdinand von Hardenberg war berüchtigt für die Brutalität, mit der er die einheimische Bevölkerung ebenso wie seine eigenen Untergebenen behandelte. Bei mehreren Strafexpeditionen gegen aufmüpfige Dörfer hatte er sich in wenigen Jahren einen mehr als zweifelhaften Namen gemacht. Fast schien es so, als wollte sich Hardenberg immer noch für die Furcht rächen, die Afrika bei seiner Ankunft in ihm ausgelöst hatte.
    Im Reich wäre die Rücksichtslosigkeit, mit der der junge Offizier vorging, nicht tragbar gewesen, doch in Afrika sahen die Dinge anders aus. »Übertriebene Weichheit kann uns nur den Kopf kosten. Diese schwarzen Teufel warten nur darauf, uns ins Meer zurückzutreiben«, hatte Herzberg gesagt.
    Doch Smolders ahnte, dass das nicht der einzige Grund für Hardenbergs Beförderung war. Ihr wisst, dass dieser Mann eine lebende Bombe ist. Und ihr wollt ihn nicht in eurer Nähe haben, wenn sie explodiert. Deshalb habt ihr ihn in diese gottverlassene Gegend am Ende der Welt geschickt, dachte der Bezirksamtmann verbittert.
    Nicht zum ersten Mal verfluchte er das Krokodil, das den alten Kommandanten Herbert Kemper bei einem Jagdausflug gefressen und damit Hardenbergs Versetzung überhaupt erst möglich gemacht hatte. Doch daran war nichts mehr zu ändern. Der alte Kemper war längst verdaut, und Smolders durfte sich mit dessen Nachfolger herumschlagen.
    Der Bezirksamtmann nahm einen weiteren Zug aus der Pfeife und nickte anschließend dem Bediensteten an der Tür zu, der stumm auf seine Befehle wartete. »Er soll reinkommen!«
    Der schwarze Diener öffnete die Tür und ließ einen hageren, schnurrbärtigen Offizier ein. Ferdinand von Hardenberg war in den wenigen Jahren in Afrika auch äußerlich ein anderer Mensch geworden. Von dem bleichen, fast anämisch wirkenden Jüngling war nichts mehr übrig geblieben. Der braun gebrannte Mann, der mit schnellen Schritten
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