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08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff

08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff

Titel: 08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
Autoren: Peter Tremayne
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ablegte. Sie winkte ihnen allen stürmisch zu, und dann überkam sie Heimweh, so daß sie langsam zu dem Wirtshaus zurückkehrte, in dem sie wohnte. Trotz der Traurigkeit empfand sie auch Erleichterung. Sie war im wesentlichen mit zwei Absichten auf diese Pilgerfahrt gegangen, und sie wußte, daß sie eine davon erreicht hatte. Es gab keinen Konflikt mehr zwischen ihren Rollen als Nonne und als dálaigh . Ihre Leidenschaft für das Recht ließ ihr keine Wahl: Sie würde es immer dem kontemplativen Leben vorziehen. Als sie beim Wirtshaus anlangte, war auf der »Ringelgans« schon das Segel gesetzt worden, und sie lief aus dem Hafen aus.
    Fidelma setzte sich auf eine Holzbank im Schatten eines Weinstocks und schaute nachdenklich über das blaue Wasser der Bucht dem verschwindenden Schiff nach.
    Der Wirt kam heraus und brachte ihr ein Glas mit einem Getränk aus frisch gepreßter Zitrone und kaltem Wasser. Schon in der kurzen Zeit ihres Hierseins hatte Fidelma gelernt, daß dies die beste Art war, den Durst zu löschen und trotz der Hitze kühl zu bleiben. Zu ihrer Überraschung reichte er ihr außerdem noch ein Stück gefaltetes Pergament. Sie verstand nicht ganz, was er sagte, doch er wies auf ein schlankes Fahrzeug, das erst vor einer Stunde eingelaufen war.
    »Gratias tibi ego.« Sie dankte ihm auf Latein, der einzigen Sprache, in der sie sich etwas verständigen konnten.
    Sie bezwang ihre Neugier, denn sie wollte zusehen, wie Murchads Schiff den Hafen verließ. Sie blieb noch eine Weile sitzen, nippte an ihrem Getränk und beobachtete, wie die »Ringelgans« die Meeresbucht entlangsegelte, die man hier ria nannte, bis sie hinter dem Vorgebirge verschwand. Es war angenehm, so in der Wärme der Sonne zu sitzen. Doch dann überwältigte sie wieder ein Gefühl der Verlassenheit. Sie versuchte es zu ergründen. War Verlassenheit das richtige Wort für ihre Stimmung? Es war besser, allein zu sein als in schlechter Gesellschaft – und sie trug wahrhaftig kein Verlangen danach, jemals wieder Cian gegenüberzustehen. Doch das hatte auch seine positive Seite; sie war froh, daß sie ihm noch einmal begegnet war.
    All die Jahre war Cian ein Stachel in ihrem Herzen gewesen, denn sie erinnerte sich immer wieder der Ängste und der Leidenschaften ihrer Jugend. Nun war ihr ein Wiedersehen mit Cian gewährt worden, und sie hatte ihn aus dem Blickwinkel der Reife betrachtet. Sie hatte ihn studiert, und ihr war die Torheit der bittersüßen Heftigkeit ihrer jugendlichen Liebe klargeworden. Ohne jede Reue hatte sie Cian verabschiedet und sich eingestanden, daß das, was einmal war, nun vorbei war. Sie konnte es als eine Erfahrung des Erwachsenwerdens ansehen und nicht mehr als eine schwere Bürde, die sie ewig zu tragen hätte. Nein, Cian hatte keine Macht mehr über sie, und sie empfand das nicht als einen Verlust – eine enorme Last war ihr von den Schultern gefallen.
    Irgendwie kehrten ihre Gedanken mit einer Plötzlichkeit zu Eadulf zurück, die sie für einen Moment so erschreckte, daß ihre Hand mit dem Glas zitterte.
    Eadulf! Sie spürte, daß er ihr als ein verschwommener Schatten auf der ganzen Reise gefolgt war, als ein ätherischer Hauch auf ihrem Weg.
    Warum kamen ihr gerade Worte von Publilius Syrus, ihrem Lieblingsautor von Maximen, in den Sinn?
    Amare et sapere vix deo conceditur.
    Selbst einem Gott ist es kaum vergönnt, gleichzeitig zu lieben und weise zu sein.
    Plötzlich erinnerte sie sich an das gefaltete Stück Pergament, und sie nahm es zur Hand. Überrascht stellte sie fest, daß es von ihrem Bruder Colgú in Cashel einen Tag nach Antritt ihrer Seereise geschrieben worden war. Als sie die wenigen Worte las, durchfuhr sie ein eisiger Schreck, dem eine panische Angst folgte, wie sie sie noch nie gespürt hatte. Die Botschaft war kurz: Komm sofort zurück! Eadulf wird des Mordes beschuldigt!
     
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