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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste
Autoren: Lee Child
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abzuknallen, wenn ich losrannte, oder vom Westfenster zu erkennen versuchen würde, ob ich tot hinter dem Humveewrack lag. Ich wusste, dass er groß und Rechtshänder war. Ich stellte mir in Gedanken ein abstraktes Ziel vor. Streckte die linke Hand aus und legte sie auf den Türknopf. Wartete.
    Die nächsten Granaten wurden aus solcher Nähe verschossen, dass Abschussknall und Einschlag fast zusammenfielen. Ich zog die Tür auf und betrat die Hütte. Marshall stand wie erwartet am Fenster. Er kehrte mir den Rücken zu, sah nach Süden, hob sich vor der hellen Öffnung als dunkle Silhouette ab. Ich zielte auf sein rechtes Schulterblatt und drückte in dem Augenblick ab, in dem eine Granate das Hüttendach abdeckte. Der Raum war sofort voller Staub, und ich wurde von herabstürzenden Balken, Wellblechtafeln und fliegenden Betonbrocken getroffen. Ich sank auf die Knie. Dann fiel ich aufs Gesicht. Ich war wie festgenagelt, konnte Marshall nicht sehen. Ich
richtete mich mühsam kniend auf und ruderte mit den Armen, um die Trümmer abzuschütteln. Der Staub wurde in einer schrägen Spirale nach oben gesaugt, und ich konnte ein Stück blauen Himmel sehen. Das Rasseln der Panzerketten umgab mich jetzt von allen Seiten. Dann hörte ich einen weiteren Abschussknall, nach dem die vordere Ecke der Hütte wegflog. Die Druckwelle traf mich wie ein Faustschlag und holte mich erneut von den Beinen.
    Ich rappelte mich wieder auf und kroch vorwärts. Bahnte mir mühsam einen Weg durch herabgestürzte Balken und Betonbrocken. Schleuderte verbogene Wellblechtafeln von der Dacheindeckung beiseite. Ich glich einem Pflug, einer Planierraupe, die sich durch die Trümmer vorarbeitete. Der Staub war so dicht, dass ich außer dem Sonnenlicht nichts erkennen konnte. Aber ich hatte wenigstens Helligkeit vor mir.
    Ich fand die Mag-10. Ihr Lauf war verbogen. Ich warf sie beiseite und pflügte weiter. Entdeckte Marshall auf dem Boden liegend. Er bewegte sich nicht. Ich schaufelte ihn frei, packte ihn am Kragen und riss ihn in sitzende Stellung hoch. Schleifte ihn bis zur vorderen Hüttenwand mit. Ich stemmte meinen Rücken dagegen und rutschte an der Wand hoch, bis ich die Fensteröffnung ertasten konnte. Ich würgte und spuckte Staub aus. Er war auch in meinen Augen. Ich hievte Marshall hoch, wälzte ihn über die Fensterbrüstung und ließ ihn draußen zu Boden plumpsen. Dann folgte ich ihm hinaus. Rappelte mich auf allen vieren auf, packte ihn wieder am Kragen und schleifte ihn hinter mir her. Im Freien verzog der Staub sich allmählich. Ich konnte ungefähr dreihundert Meter rechts und links von mir Panzer sehen. Massenhaft Panzer. Heißes Metall unter greller Sonne. Sie hatten uns umgangen, bildeten einen perfekten Kreis, hatten ihre Kanonen gesenkt und schossen in direktem Richten. Ich hörte wieder einen Abschuss- und Einschlagsknall, sah das orangerote Mündungsfeuer einer Panzerkanone und beobachtete, wie der Rückstoß den Abrams zurückwarf. Die Granate flog genau über uns hinweg. Ich sah sie in der
Luft, hörte sie in die Überreste der Hütte einschlagen. Spürte noch mehr Betonbrocken auf meinen Rücken prasseln. Ich warf mich auf den Bauch und lag still, im Niemandsland gefangen.
    Dann schoss ein weiterer Panzer. Ich beobachtete, wie der Rückstoß ihn zurückschleuderte. Siebzig Tonnen, die mit solcher Wucht zurückgeworfen wurden, dass der Panzerbug in die Luft stieg. Die Granate heulte über uns hinweg. Ich setzte mich durch den Sand kriechend und Marshall hinter mir herschleifend wieder in Bewegung. Ich wusste nicht, welche Befehle er über Funk erteilt hatte. Er musste behauptet haben, er verlasse seinen Beobachtungsposten und sie bräuchten nicht auf die Humvees zu achten. Vielleicht erklärte das ihr bitte wiederholen .
    Aber mir war klar, dass sie jetzt nicht zu schießen aufhören würden. Weil sie uns nicht sehen konnten. Der aufgewirbelte Staub bildete eine Art Nebelwand, und die Sicht aus einem mit geschlossenen Luken gefechtsbereiten Abrams war ohnehin nicht besonders gut. Ich machte kurz Halt, rieb mir Staub aus den Augen und spähte mit zusammengekniffenen Augen nach vorn. Wir waren dicht vor meinem Humvee.
    Es sah unbeschädigt aus.
    Vorerst noch.
    Ich rappelte mich auf, rannte die letzten drei Meter, schleifte Marshall auf die rechte Wagenseite, riss die Tür auf und hievte ihn auf den Beifahrersitz. Dann kletterte ich über ihn hinweg und rutschte hinters Lenkrad. Drückte den großen roten Knopf, der den Motor
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