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0799 - Gefangen in Choquai

0799 - Gefangen in Choquai

Titel: 0799 - Gefangen in Choquai
Autoren: Andreas Balzer
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nicht nennen. Aber er sagte, er sei ein alter Freund. Jemand, der Euch… von früher kennt.«
    »Von früher?« Tsa Mo Ra hatte das ungeklärte Geheimnis seiner Herkunft lange Zeit verdrängt. Und er wusste nicht, ob er gerade jetzt wieder daran rühren wollte. Andererseits war dies vielleicht eine einmalige Chance, etwas über seine Vergangenheit zu erfahren.
    »Wo ist er? Ich will ihn sprechen!«
    »Er wartet im Studierzimmer. Soll ich Euch ankündigen?«
    »Das ist nicht nötig«, sagte Tsa Mo Ra. »Geh ins Bett, es ist spät.«
    Er nickte dem Mädchen zu und machte sich auf den Weg.
    Der Mönch hatte ihm den Rücken zugewandt, als der Hofzauberer den Raum betrat, aber Tsa Mo Ra erkannte seinen Besucher dennoch sofort. Es war tatsächlich der Fremde vom Nachmittag.
    »Ihr wolltet mich sprechen?« Es zeugte nicht gerade von guten Manieren, so ohne Umschweife zum Thema zu kommen, aber Tsa Mo Ra spürte, dass Höflichkeitsfloskeln hier nicht angebracht waren.
    »In der Tat!« Der Mönch drehte sich um, und Tsa Mo Ra sah die wache Intelligenz, die in den Augen des Fremden aufblitzte. Der Vampir verbeugte sich mit einem leichten Lächeln.
    »Es ist sehr großherzig, dass Ihr einem unwürdigen Fremden die Gastfreundschaft Eures Hauses anbietet, Herr.«
    »Wer seid Ihr?«
    »Mein Name ist Fu Long.«
    »Was führt Euch zu mir, Fu Long? Meine Dienerin sagte mir, Ihr wärt ein alter Bekannter von mir, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wer Ihr seid.«
    »Das glaube ich wohl. Man sagt, Ihr wärt ohne Gedächtnis nach Choquai gekommen…«
    »Da seid Ihr richtig informiert«, sagte Tsa Mo Ra vorsichtig. »Was wisst Ihr darüber?«
    »Nun… ich bin dafür verantwortlich.«
    »Was?« Tsa Mo Ra konnte die Dreistigkeit kaum fassen, mit der dieser Fremde ihm eingestand, ihm seine Identität gestohlen zu haben. Fu Long sah ihn so freundlich und ungerührt an, als habe er ihm gerade gestanden, in der Küche einen Krug mit Wasser umgestoßen zu haben.
    »Ihr solltet das besser schnellstens erklären, ehrenwerter Fu Long - bevor ich die Tulis-Yon rufe und Euch in den Kerker werfen lasse.«
    »Ihr habt nichts von mir zu befürchten, Tsa Mo Ra. Im Gegenteil, ich bin hier, um Euch zu helfen.«
    »Mir helfen? Wie das?«
    »So!«, sagte Fu Long und schnellte vor. Bevor Tsa Mo Ra reagieren konnte, hatte der Vampir ihn gepackt und schleuderte ihn gegen die Wand. Die linke Hand presste er gegen den Mund des Hof Zauberers, damit er nicht um Hilfe schreien konnte, die andere legte er auf seine Stirn.
    Die Berührung traf Tsa Mo Ra wie ein Schlag. Für einen endlos erscheinenden Moment erstarrte der Zauberer, als sei er aus Stein.
    Und dann sah er. Unzählige Eindrücke eines fremden Lebens stürzten auf ihn ein, und als es zu viel wurde, wollte Tsa Mo Ra seinen Schmerz in die Nacht hinaus schreien. Doch kaum ein Ton kam über seine Lippen, nur ein heiseres Röcheln, das Fu Long mit seiner Hand erstickte.
    Tsa Mo Ra sah ein fremdartig aussehendes Schloss über einem grünen Tal, durch das sich ein großer Fluss schlängelte; er sah unzählige bizarre Kreaturen, von denen einige seine Freunde waren, die meisten aber seine erbitterten Feinde - und er sah eine wunderschöne Frau, die ihn mit hellwachen braunen Augen ansah, in deren Pupillen goldene Tüpfelchen schimmerten.
    »Nicole!«, Dann sackte der Zauberer hilflos in sich zusammen. Fu Long fing ihn auf, bevor er mit dem Gesicht geradewegs auf den harten Steinboden knallte.
    »Du weißt wieder, wer du bist?«, fragte Fu Long und half dem Mann, der einst Professor Zamorra gewesen war, auf die Beine. Die Knie drohten dem heftig zitternden Menschen wegzuknicken. Er musste sich an dem Vampir festhalten, als er zum nächsten Stuhl wankte.
    »Ob ich weiß, wer ich bin? Oh ja! Der Mann, dem du zehn Jahre seines Lebens gestohlen hast. Den du gezwungen hast, seinem größten Feind als Hofzauberer zu dienen!«
    »Es war nicht ganz so«, sagte Fu Long. »Lass es dir erklären…«
    »Was ist mit Nicole?«
    »In unserer Welt sind nur ein paar Stunden vergangen. Sie ist noch genau die Frau, die du kennst!«
    »Na wunderbar«, sagte Zamorra und ließ sich auf den Stuhl fallen. Er fühlte sich, als habe er gerade ohne Sauerstoffgerät den Mount Everest erklommen. Sein Herz raste, und auch seine Atmung bekam er nur schwer unter Kontrolle. »Aber ich bin nicht derselbe. Ich habe zehn Jahre hier gelebt, als Mensch unter Vampiren - und ich kann mich an jede verdammte Minute davon erinnern. Ich habe eine
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