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0795 - Vater, Mutter, Satanskind

0795 - Vater, Mutter, Satanskind

Titel: 0795 - Vater, Mutter, Satanskind
Autoren: Jason Dark
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erhellte sich, wurde wieder dunkel, bekam von neuem Saft, dunkelte wieder ab, und ein zuckendes Muster aus Licht und Schatten überfiel die Gäste.
    Bis das Licht blieb! Kein Zucken mehr, denn nun gaben die Lampen ihren Schein ab, und sie schickten ihn nach unten.
    Harry Stahl hielt den Atem an. Alle Paare hatten die Halle erreicht, und sie hatten auch gewusst, wo sie sich aufstellen mussten, denn sie standen im Bereich des Kronleuchters.
    Zum ersten Mal sah er sie genauer und nicht nur einzeln wie im Strahl seiner Lampe. Wieder schüttelte es ihn, als er die Gäste näher betrachtete, denn er konnte abermals nicht unterscheiden, ob er es mit Zombies oder echten Menschen zu tun hatte.
    Sie bewegten sich wie Zombies, aber ihnen fehlte etwas, dass sie zu lebenden Leichen machte.
    War es der Ausdruck in ihren Gesichtern, der nicht so stumpf und dumpf war? Diese Männer und Frauen lebten, wenn auch auf eine perfide Art und Weise, aber sie bekamen trotzdem mit, was sich in ihrer Umgebung abspielte, denn das wiederum ging sie direkt an.
    Die Musik war verstummt.
    Der Pianospieler hatte sich erhoben und verbeugte sich vor seinem Publikum. Auch die Geiger nickten den Paaren zu, die nicht mehr Arm in Arm standen, damit sie den Künstlern Beifall klatschen konnten.
    Es war kein normaler Beifall. In dieser Halle hörte es sich an, als würde altes Laub gegeneinander rascheln oder im nächsten Moment die viel zu trockene und bereits zur Hälfte verweste Haut von den Handflächen fallen.
    Nichts davon trat ein, der Beifall ebbte ab, und die Musiker verbeugten sich noch einmal vor ihrem Publikum. So musste es auch vor Jahrzehnten abgelaufen sein, dachte der Kommissar. In diesem Hotel hatte jemand die Zeit angehalten, um nun das Rad erneut in Bewegung zu setzen. Da würde all das Grauen zurückkehren, das sich in den langen Jahren versteckt hatte.
    Obwohl noch nichts begonnen hatte, fragte sich der Kommissar immer wieder, wie so etwas überhaupt hatte möglich sein können.
    Waren diese »Gäste« konserviert worden, nicht in Eis, sondern eher in einer magischen Aura?
    Ich denke schon wie John, dachte er und konzentrierte sich auf das Geschehen in der Halle.
    Die Polonaise war vorbei, der Einstand gegeben. Jetzt würde – so konnte er sich vorstellen – der normale Verlauf des Abends beginnen. Er rechnete fest damit, dass es so sein würde, denn auch die Gäste reagierten entsprechend.
    Im trüben Schein der Lampe lösten sie sich voneinander und suchten sich die Plätze aus.
    Zumeist standen vier Sessel an den Tischen, die mal rund und mal viereckig waren. Immer zwei Paare konnten an einem Tisch Platz nehmen, und die Herren, die sich so steif und marionettenhaft bewegten, waren so galant, den Damen die Stühle zurechtzurücken, damit die Konventionen eingehalten wurden.
    Nichts erinnerte an den Einfluss des Teufels, wenn man sich an die Schau gewöhnt hatte.
    Auch der Kommissar hatte sich allmählich wieder entspannt. Er war zudem froh, dass sich niemand um ihn kümmerte und er von allen akzeptiert wurde.
    Bestimmt hatten sie ihn gesehen, aber sie hielten sich zurück und griffen nicht an. Sie kümmerten sich nicht um ihn.
    Stattdessen hockten sie an den Tischen und warteten wie auch die Musiker.
    Jetzt fiel dem Kommissar auf, dass sich trotzdem etwas verändert hatte. In einer normalen Hotelhalle wären spätestens zu diesem Zeitpunkt die ersten Ober oder Kellner erschienen, um sich nach den Wünschen der Gäste zu erkundigen.
    Hier geschah das nicht.
    Alle blieben hocken.
    Die Stille empfand Harry Stahl als belastend, und ihn störte sogar sein eigener Atem. Würde sich gar nichts verändern? Würden sie die Stunden über hocken bleiben?
    Er schaute auf die Uhr. Noch etwas mehr als eine Stunde bis zur Tageswende. Er war immer davon ausgegangen, dass es dann passierte, also hatte er noch Zeit, um sich im Hotel umzuschauen.
    Harry schrak zusammen, als er den Klang der beiden Geigen hörte. Plötzlich war alles anders. Walzermelodien durchwehten die Halle, Kompositionen eines Johann Strauß.
    Nichts hielt die Gäste. Die »Herren« waren bei den ersten Klängen der Musik zusammengezuckt. Sie zupften wieder ihre Smoking-und Frackschöße zurecht, um sich dann mit steifen Bewegungen zu erheben. Neben ihren Begleiterinnen blieben sie stehen. Sie verbeugten sich kurz und forderten sie zum Tanz auf.
    Die »Frauen« standen auf.
    Auch sie bewegten sich nicht geschmeidig. Sie kamen mit zackigen Bewegungen hoch, einige von ihnen mussten
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