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0795 - Vater, Mutter, Satanskind

0795 - Vater, Mutter, Satanskind

Titel: 0795 - Vater, Mutter, Satanskind
Autoren: Jason Dark
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so aussahen wie Menschen, die lange eingeschlossen worden waren und sich kaum trauten, die Gefängnisse zu verlassen.
    Es war einfach furchtbar. Sie lebten und schienen doch tot zu sein.
    Sie hatten sich zu einem Maskenball der Monster zusammengefunden, um ihn auf ihre Art und Weise zu feiern.
    Der Kommissar hätte die Szenerie eigentlich als Gesamtbild aufnehmen müssen. Das allerdings war ihm nicht möglich. Seltsamerweise analysierte und sezierte sein Gehirn, sodass er immer mehr auf Einzelheiten achtete, ohne es eigentlich zu wollen.
    Die Türen waren aufgedrückt worden, das stimmte. Sehr langsam, und sie hatten dabei knarrende und ächzende Geräusche abgegeben, denn längst hätten ihre alten, verrosteten Angeln geölt werden müssen.
    Hände hatten sich um die Ränder geklammert. Stahl sah von ihnen die Finger. Sie wirkten wie hässliche, weißgraue, leicht gekrümmte und dann erstarrte Würmer, auf denen Geschwüre wuchsen oder Haut aufgeplatzt war. Sie kamen vorsichtig aus ihren Höhlen, als könnten sie noch nicht glauben, endlich befreit worden zu sein.
    Stahl wunderte sich sehr. Für ihn war es ein Rätsel, dass diese Wesen überhaupt in den Gang schlichen. Soviel er wusste, hatte John Sinclair in das eine oder andere Zimmer hineingeschaut und es leer vorgefunden. Das alles stimmte nicht mehr, es war ad absurdum geführt worden, denn hier hatten andere Kräfte das Kommando übernommen. Das Böse war wie Gift. Es machte vor nichts Halt, es schlich sich in alles hinein, es konnte unterwandern, und Harry Stahl spürte genau, dass sich die Atmosphäre zu seinen Ungunsten verändert hatte.
    Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er konnte sich zudem nicht vorstellen, dass er gegen diese Monstren überhaupt ankam. Sie waren einfach zu anders, sie mussten tot sein, und doch lebten sie.
    Das wollte ihm nicht in den Kopf.
    Alle Türen waren aufgestoßen worden. Schleifende Schritte unterbrachen die Stille. Die Hände lösten sich von den Rändern der Türen, und die ersten Gestalten erschienen in seinem Blickfeld.
    Alte Leute.
    Widerlich anzusehen. Nicht normal alt geworden, sondern halb verwest, furchtbar. Mit einer Haut, die zwar noch vorhanden war, aber so aussah, als würde sie jeden Moment abfallen. Doch das war nicht alles. Noch etwas kam hinzu, und Harry Stahl wollte es zunächst kaum glauben, aber es stimmte.
    Bei den Frauen fiel es ihm auf.
    Sie hatten sich »fein gemacht«. Sie waren geschminkt, und dies auf eine groteske und abstoßende Art und Weise. Überschminkt, einfach zu grell, mit auf der einen Seite blassen und auf der anderen Seite starken Farben.
    So schimmerten die dünnen Lippen wie zerfranste Blutovale. Die Gesichter sahen pudrig aus, die Haare bildeten lächerliche Frisuren und auch Figuren, weil sie ebenso scheußlich in die Höhe gekämmt worden waren. Dicke Schminke hatte es nicht geschafft, die Falten zu verdecken, und sie war auch nicht in der Lage gewesen, den schlimmen Geruch der Gestalten zu überdecken. So wehte dem Kommissar eine Mischung aus Pudergeruch und altem Gestank entgegen, den er als widerlich und atemberaubend empfand. Das war schlimm, das konnte er kaum fassen, aber es gab auf der einen Seite etwas, das ihm lächerlich vorkam.
    Die Kleidung der Frauen stammte ebenfalls aus einer Zeit, die lange vorbei war, obwohl sich diese Spanne über mehrere Jahre hinwegzog und praktisch zwei Moderichtungen umschloss.
    Es begann mit der auffälligen Mode, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg getragen wurde, um dann die schrecklichen Jahre auszulassen und direkt hineinzuspringen in die Mode der wilden Zwanziger, als die Menschen sich ausleben wollten, als die neuen Strömungen begannen, die Tänze wilder wurden und die Hauptstadt Berlin der Nabel der Welt geworden war. Auch kulturell und als Trendsetter in der Mode.
    Charleston-Kleider, eng geschnitten, ziemlich kurz, eben so kurz auch die Frisuren. Hinzu kamen die bleichen Gesichter der Frauen, die nur ihre Augenbrauen anders geschminkt hatten, sehr dunkel und kräftig, damit sie besonders auffielen. Die Frauen waren mit Schmuck behängt, oft mit mehreren Perlenketten gleichzeitig. Alle versuchten leise aufzutreten, und so hörte der Kommissar oft nur das leise Klirren der Ketten.
    Während sich die Frauen auf Moderichtungen eingestellt hatten, so war das bei den Männern nicht der Fall. Sie trugen ihre Berufskleidung, den Frack oder den Smoking, den auch der Krieg nicht hatte totkriegen können.
    Auch die Männer hatten ihre
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