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0785 - Der Kinderschreck

0785 - Der Kinderschreck

Titel: 0785 - Der Kinderschreck
Autoren: Jason Dark
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fanden sich all die Eigenschaften wieder, die Hexen in den Märchen angedichtet wurden. Womit wieder einmal feststand, dass Olinka als Hexe angesehen werden konnte.
    Keine moderne Hexe, sondern eine von früher, die auch so aussah, und die hier im Wald die richtige Unterkunft gefunden hatte.
    Er schrak zusammen, als er einen schrillen Heullaut hörte, der durch den Wald geisterte. Seine Frau hatte ihn ausgestoßen, er war gewissermaßen der Beginn und sollte die erwecken, die nur darauf warteten, aus ihren Löchern geholt zu werden. Die Laute blieben, das Heulen nicht. Sie veränderten sich und drangen als schrille, akustische Abnormitäten aus dem offenen Mund.
    Schreie!
    Nicht wie von Menschen ausgestoßen. Diese Laute drangen aus der Kehle eines Tieres. Und Olinka schien sich gerade in eins zu verwandeln. Sie hatte sich in den Schnee geworfen. Sie kratzte mit den Händen die vereiste Oberfläche auf, sie bohrte ihr Gesicht hinein, sie tobte und schrie weiter, sprang wieder hoch und wurde sehr ruhig.
    Sie legte den Kopf zurück, drehte ihn zur Seite. Ihr breiter Mund verzog sich und bildete in der Mitte ein spitzes kleines Loch, aus dem ungewöhnliche Pfeiflaute drangen, die durch die klare Winternacht hallten.
    Es waren Lockgeräusche…
    Oleg wusste genau, wer damit gemeint war. Dieses Pfeifen sollte endlich die Tiere anlocken, auf die Olinka gewartet hatte. Überall steckten sie, hielten sich im Boden verborgen, aber auch versteckt im Haus und in dessen Nähe.
    Oft genug hörte man, wenn es sehr still war, ihr Quietschen und das Trippeln der kleinen Füße.
    Ratten!
    Nur Ratten, die durch Olinkas Lockungen aus ihren Verstecken geholt worden waren.
    Oleg tat nichts. Er hatte sich in einem genügenden Abstand aufgebaut und schaute nur zu. Er wusste ja, dass die kleinen Nager kommen würden. So wartete er auf ihr Erscheinen. Die Körper mussten irgendwann über den Schnee huschen. Schatten auf der weißen Fläche, die auf einmal da waren und mit gewaltigen Sprüngen auf sie zuflitzten.
    Der Mann erschrak und sprang in die Höhe, als die Ratten zu dicht an ihm vorbeiliefen. Sie wühlten ihre Körper durch den Schnee. Braune und graue Nager, die ihre Mäuler geöffnet hatten und nach der Beute gierten. Sie wirbelten herbei, sie wurden zahlreicher, er konnte sie nicht mehr zählen. Sie jagten an seiner Frau vorbei, und der Fuchs hatte inzwischen bemerkt, in welch einer Gefahr er sich befand.
    Noch einmal versuchte er, der Falle zu entwischen. Dabei schlug er um sich, aber das Eisen war einfach zu schwer und klemmte zu hart fest.
    »Ja, meine Freunde, kommt her! Kommt her zu mir. Es ist wundervoll!« Olinka war in ihrem Element. Sie lachte, sie freute sich, sie tanzte beinahe auf der Stelle.
    Die Nager stürzten sich auf die Beute. Eine pelzige Welle erhob sich vom Boden, schwebte sekundenlang in der Luft und brandete dann auf das wehrlose Opfer nieder.
    Der Fuchs bäumte sich nicht einmal auf. Er wurde unter der Last der Körper begraben, die nicht nur aus Fell und Fleisch bestanden, sondern auch aus Zähnen..
    Scharf und spitz.
    Sie hackten zu, sie rissen, der Hunger war unersättlich. Sie wollten das frische dampfende Fleisch, und sie gaben dem Fuchs nicht die Spur einer Chance.
    Er winselte auch nicht mehr. Sein Körper war nicht zu sehen. Auf ihm bewegten sich die Ratten, und Olinka stand daneben. Zufrieden schaute sie den Ratten zu, die das Tier bis auf die blanken Knochen abnagten, so dass von ihm nur mehr das Gerippe zurückblieb.
    Danach verschwanden sie. Wie ein Spuk waren sie gekommen, wie ein Spuk huschten sie davon. Abermals flitzten die Schatten über den Schnee, um wenig später wieder einzutauchen in die Löcher und Verstecke, wo sie sich bis zu ihrem nächsten Erscheinen verborgen hielten. Sie warf einen Blick auf den Fuchs.
    Er bestand nur mehr aus Knochen. Hier und da hing noch eine Sehne, aber kein Fetzen Fleisch mehr, und die Frau fühlte sich wie eine Rattenkönigin.
    Sie grinste wieder, als sie ihren Standort verließ und zu ihrem Mann ging.
    Oleg hatte sie erwartet. In seinem Mund hatte sich eine trockene Wüste ausgebreitet, die wie alte Asche schmeckte. Er hatte es eigentlich nicht so recht glauben wollen und war nun eines Besseren belehrt worden. Seine Frau war eine Hexe. Sie besaß die nötige Macht über die Fauna, doch sie wollte auch die Macht über die Menschen haben.
    Junges Fleisch.
    Junge Menschen…
    Hänsel und Gretel war ihr Lieblingsmärchen. Sehr oft hatte sie es gelesen, und sie
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