Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0781 - Die Hexe von Hilversum

0781 - Die Hexe von Hilversum

Titel: 0781 - Die Hexe von Hilversum
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
eigenen. »Ich bin erschüttert und wünsche Ihnen alles…«
    »Hör auf zu labern!«, zischte de Rijber. »Du bist bezahlt worden, hast deinen Job einigermaßen erledigt, und jetzt kannst du dich verziehen. Und zwar schnell.«
    »Aber, ich meine…«
    »Du sollst gar nichts meinen, Knabe. Sonst schmeiße ich dich in das Loch.«
    Der Prediger zuckte zusammen. Das war ihm noch nie passiert. Er nickte heftig, drückte eine Hand auf seine flache graue Baskenmütze und sah zu, dass er Land gewann. Ziemlich hastig hetzte er über den Friedhof zurück zum Ausgang.
    De Rijber war froh, dass er weg war. Was nun folgte, war die Kondolenztour. Man würde ihm die Hand drücken und Beileidsworte murmeln, und er würde wissen, dass all die Scheißtypen logen.
    Einen letzten Blick warf er auf den Sarg. Er hatte ihn viel Geld gekostet, denn diese Totenkiste war ein prunkvolles Etwas, beste Handarbeit. Das war er Piet schließlich schuldig gewesen. Er zog die Schaufel aus dem Lehmhaufen, häufte Erde auf das Blatt und schleuderte sie dann in das Grab.
    Mit einem dumpfen Geräusch schlugen die Brocken auf den Sargdeckel. Es hörte sich an, als hätte der Tote sich noch einmal aufgerichtet und von unten gegen den Deckel geklopft. Aber das war nicht möglich. Piet de Rijber war auch nicht scheintot. Was da vom Sargdeckel verborgen wurde, war nur noch eine blutige Masse Fleisch.
    Jan dachte daran. Er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Der Hass überschwemmte ihn, und seine erste Aufgabe würde es sein, sich diejenige Person zu holen, die dafür verantwortlich war. Die verfluchte Hexe Linda Vermool.
    Alles andere war zweitrangig geworden. Außerdem liefen die Geschäfte automatisch weiter. Das musste bei einer guten Organisation auch so sein.
    Jan de Rijber drehte sich wieder um. Er blickte jetzt in die Gesichter zahlreicher Trauergäste. Einige schauten zur Seite und taten so, als würde sie Piets Tod mitnehmen. Andere wiederum schauten zu Boden, sie konnten Jans Blicken nicht standhalten.
    Er hätte am liebsten vor ihnen ausgespuckt oder jeden einzelnen ins Gesicht geschlagen. Sie alle waren verdammte Heuchler, Widerlinge, nichts wert. Sie hatten seinen Bruder gehasst, nicht wenige unter ihnen hatten ihm sogar den Tod gegönnt. Freiwillig wäre keiner von ihnen hinter dem Sarg hergelaufen. Sie hatten es alle aus Angst vor dem großen Bruder getan.
    Dafür hasste er sie, dafür hätte er sie treten können, diese verfluchten, widerlichen Schleimer. Seine Lippen zuckten. Er hatte Mühe, sie zusammenzuhalten. Lieber hätte er den Mund geöffnet und ihnen seinen Hass entgegengeschrien. Unter der rechten Achsel spürte er den Druck des Revolvers und musste den Wunsch unterdrücken, hineinzuschießen in die Glotzer und Heuchler, die jetzt schon auf sein Ende lauerten, um über sein Imperium herfallen zu können wie die Geier über das Aas.
    Wer trug die Schuld an dieser verdammten Scheiße? Da gab es nur eine Person.
    Linda Vermool, die Moderatorin, die Hexe. Die Frau mit dem schönen Gesicht, die das Unheimliche so glatt verkaufen konnte.
    Auf sie ausgerechnet hatte sein Bruder hereinfallen müssen. Warum hatte Piet nicht auf seine Warnungen gehört?
    Sein Pech.
    Sein verfluchtes Pech. Er war immer ein Kind geblieben, das alles haben musste. Früher war es das Spielzeug gewesen, später die Frauen, die sich dafür bezahlen ließen, um seine Phantasien zu befriedigen. War das auch bei der Hexe so gewesen?
    Jan wusste es nicht. Er konnte es sich seltsamerweise auch nicht vorstellen. Zudem hatte sein Bruder nie viel über sie gesprochen, als hätte er sich noch im Nachhinein davor gefürchtet. Die Begegnung mit ihr musste anders verlaufen sein, als er es sich vorgestellt hatte.
    Ein Räuspern riss ihn aus seinen Gedanken. Seine beiden persönlichen Bodyguards wollten den Anfang machen und waren vorgetreten. Ihnen traute er noch am meisten. Sie reichten ihm die Hände. Er drückte sie und hörte sie etwas murmeln, was sie wahrscheinlich selbst nicht richtig verstanden.
    Danach begann die große Schau. Jeder kondolierte. Sie hielten sich an die Regeln. Er sah sie alle, die Größen der Unterwelt und auch ihre Begleiterinnen, die selbst auf dem Friedhof aufgeputzten Edelnutten. Sie heuchelten. Manche, von denen er genau wusste, dass sie unter seinem Bruder gelitten hatten, schluchzten sogar.
    Jan konnte sich nicht immer beherrschen. »Ihr hättet ihn doch am liebsten zum Teufel gewünscht, ihr kleinen Nutten!«, hielt er ihnen vor.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher