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0761 - Der Angst-Atmer

0761 - Der Angst-Atmer

Titel: 0761 - Der Angst-Atmer
Autoren: Timothy Stahl
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will endlich einmal mit eigenen Augen sehen, wo meine Familie herstammt.«
    »Das hast du doch schon gesehen«, unternahm Claire einen letzten Versuch, Mathieu davon abzubringen, zu dem gruseligen Château hochzufahren. »Deine Familie kommt aus diesem Dorf«, sie wies in die Runde, »in dem offenbar seit Jahrzehnten niemand mehr lebt - und in dem wir schon den halben Tag zugebracht haben.«
    Claire erschauerte in der Erinnerung an den ausgedehnten Streifzug durch die samt und sonders leer stehenden, teils verfallenen Häuser.
    Es war weniger die Abwesenheit allen Lebens, die ihr dieses Dorf und die ganze Gegend unheimlich erscheinen ließ. Es war vielmehr das schwer zu fassende Gefühl, als habe sich etwas anderes hier niedergelassen, nachdem es die Menschen vertrieben oder ausgelöscht hatte. Etwas Namenloses, Unsichtbares, das nur Präsenz war. Sie spürte die Gegenwart von etwas Kaltem, etwas durch und durch - Bösem.
    Päst musste sie lächeln bei dieser Überlegung. Es lag wohl an diesem Ort, dass einem Menschen solche Gedanken in den Sinn kamen. Nach allem, was Mathieu ihr darüber vor und während der Fahrt hierher erzählt hatte, mussten in diesem Dorf und vor allem in dem Château, das am Berghang darüber thronte, früher einmal ausnahmslos Spinner gewohnt haben, für die Geister, Dämonen und dergleichen an der Tagesordnung waren.
    Aber auch diese etwas nüchterne Betrachtungsweise, der sich Claire nun bediente, vertrieb ihr den Schauder nicht. Wie eine Woge, die sich für einen Augenblick geteilt hatte, schlug die gespenstische Atmosphäre ihrer Umgebung wieder über ihr zusammen.
    Mathieu reagierte auf ihre Bemerkung von eben. »Ich weiß, ich weiß, meine Großeltern lebten hier im Dorf. Aber mein Opa Pascal hatte viel mit den Leuten vom Château zu tun…«
    »Wohl eher zu viel«, warf Claire ein. »Das war ja ein Grund, warum ihn deine Großmutter dazu überredet hat, mit ihr nach Lyon zu ziehen, wohin sich ihr Sohn, dein Vater, schon früher abgesetzt hatte.«
    »Ts«, machte Mathieu, »wenn du das so sagst, klingt es ja, als seien sie von hier geflohen.«
    »Vielleicht sind sie das?«, meinte Claire. »Und gerade noch rechtzeitig. Immerhin verschwanden sämtliche Einwohner dieses Dorfes wenig später spurlos. Und nicht nur das - aus der ganzen Gegend wurde alles Leben getilgt.« Sie fröstelte wieder und zwang sich dazu, sich nicht abermals umzuschauen. »Es ist gerade so, als sei hier irgendein geheimer Kampfstoff oder eine Massenvernichtungswaffe getestet worden.«
    Mathieu schüttelte den Kopf. »Nein, das war wohl kaum der Grund. Nicht, wenn all das stimmt, was mir Opa Pascal erzählt hat, bevor er starb. Da war ich leider erst acht Jahre alt, darum kann ich mich an vieles von dem nicht mehr genau erinnern. Und meiner Großmutter war über das Leben hier kaum ein Wort zu entlocken.«
    Mathieu fasste seine Verlobte bei der Hand. »Komm, wir sehen uns nur kurz dort oben um.« Er wies zum Château hinauf. »Nur ein paar Minuten, dann fahren wir heim nach Lyon. Versprochen.«
    Claire ließ sich zum Wagen führen und stieg ein. Mathieu setzte sich hinters Steuer und verriegelte per Knopfdruck die Türen. Dann fuhren sie die Serpentinenstraße zu der unheimlichen Feste hinauf.
    »Würde mich nicht wundem, wenn es in dem alten Kasten wirklich spukt«, sagte Claire.
    Je näher sie dem Château kamen, desto bedrohlicher wirkte es auf sie. Deshalb sah sie lieber hinunter ins Tal. Doch die Loire, die sich dort unten durch ihr Bett schlängelte, bot inmitten des trostlosen Szenarios dieses toten Landstrichs keinen deutlich angenehmeren Anblick.
    Ein paar Meter vor dem Tor zum Schloss stoppte Mathieu den Wagen. Eine Zugbrücke führte über einen Graben, der sich entlang der Front erstreckte und kein Wasser führte.
    Die Zugbrücke wies große Lücken auf. Nur wenige Bohlen führten noch zum offen stehenden Tor. Die geborstenen, zerfallenen Reste der anderen lagen im Graben.
    »Ich frage mich, wie man es bewerkstelligt hat, diesen Graben bei der Hanglage jemals mit Wasser zu füllen«, wunderte sich Claire.
    Mathieu zuckte die Achseln. »Durch Zauberei vielleicht.« Sein Ton sollte leichthin klingen, aber es war nicht zu überhören, dass auch ihm etwas mulmig zumute war.
    Claire wollte die vermeintliche Chance nutzen und probierte es noch einmal. »Komm, lass uns gehen, Mathieu. Bitte. Wer weiß, ob die Brücke unser Gewicht überhaupt noch trägt.«
    Doch Mathieu war schon unterwegs zur anderen Seite. Die
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