Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

0748 - Raphael, der Unheimliche

Titel: 0748 - Raphael, der Unheimliche
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
hilflosen Gettobewohner, der sich vom Raub und vom Durchsuchen der Müllhalden ernährte und dem die Todesfurcht ständig im Nacken saß. Ozur Vailenstain war intelligent.
    Die Welt der Aphilie schien wie für ihn geschaffen. Mit der Kraft seines Geistes hätte er sich mühelos zu den höchsten Ämtern emporarbeiten können. Warum er diesen Weg nicht gegangen war, blieb sein Geheimnis.
    Bei den Einsätzen, die unter seinem Kommando standen, hatte Reginald Bull ihn seitdem einigemale beobachten können.
    Vailenstain schien frei von Furcht... ein merkwürdiger Zug an einem Aphiliker, wie auch Vater Ironside bemerkt hatte. Reginald Bull kam zu dem Schluß, daß Vailenstains Intellekt so kräftig sei, daß er mit seiner Hilfe die Regungen der Urtriebe, zum Beispiel also die Furcht im Angesicht der Gefahr, unterdrücken und kontrollieren konnte.
    Der Gedanke, Vailenstain für einen Agenten der aphilischen Regierung zu halten, war Bull noch nie gekommen. In diesem Augenblick hielt er ihn für noch absurder, als er ihm vor einer Woche erschienen wäre: Kein aphilischer Agent setzt sich zehn Tage lang ins Nest der Wespen. Ein Spitzel der Regierung von Terrania City hätte längst dafür gesorgt, daß das Hauptquartier Shanghai ausgehoben würde.
    Die gespeicherten Nachrichten waren ohne sonderliche Bedeutung. Nichts deutete vorläufig darauf hin, daß die Regierung die Aktivität ihrer Strafexpeditionen von der südostasiatischen Küste fort in einen anderen Teil der Welt verlegen wollte.
    Reginald Bull verließ seinen Arbeitsplatz und machte sich auf den Weg zu seinem Quartier. Ein Rollsteig trug ihn durch einen breiten Gang. Es ging auf Mitternacht, und es war kaum noch jemand unterwegs. Nach etwa einer halben Meile mußte Bull den Rollsteig verlassen, um in einen Seitenkorridor abzuzweigen, an dem die Mannschaftsquartiere lagen.
    Er teilte mit Vater Ironside ein aus vier Räumen bestehendes Appartement, aber er durfte sicher sein, den Mönch um diese Zeit nicht zu Hause anzutreffen. Weiter hinten im Gang hatte sich Ironside eine Kapelle eingerichtet, wie er es in jeder Stadt zu tun pflegte, in der er sich länger als ein paar Tage aufhielt. In der Kapelle pflegte er um Mitternacht seine Andacht zu verrichten.
    Als Bull die Tür zu seiner Wohnung öffnete, ging drinnen automatisch das Licht an.
    Vom Vorraum lag linker Hand eine kleine Küche, die Bull und Ironside miteinander teilten. Der Mönch lehnte fertig zubereitete Speisen und Servierautomatiken ab. Wo es ging, suchte er Menschen dazu zu bewegen, daß sie sich ihre Mahlzeiten selbst anfertigten.
    Unentschlossen blieb Bull ein paar Sekunden lang stehen.
    Er hatte Durst und überlegte, ob es sich lohne ein Mixgetränk herzustellen. Fast hatte er sich dazu schon entschlossen und sich küchenwärts in Bewegung gesetzt, da hörte er von der Seite her ein feines Zischen. Er wirbelte herum, aber noch im selben Augenblick nahm er einen stechenden Geruch wahr. Die Muskeln gehorchten ihm auf einmal nicht mehr. Der Schwung der Bewegung riß ihn zur Seite und ließ ihn gegen die Wand prallen.
    Innerhalb weniger Augenblicke verlor er das Bewußtsein.
     
    *
     
    Als er aufwachte, saß er auf einem Stuhl. Den Raum erkannte er als seinen eigenen Wohn- und Schlafraum. Er versuchte, sich zu bewegen, aber weder Arme, noch Beine gehorchten dem Befehl des Gehirns. Er stellte fest, daß ihn eine nicht zu straff geführte Fessel an den Stuhl gebunden hielt.
    „Die ist nur da, damit Sie nicht herunterfallen", sagte eine tiefe, volltönende Stimme hinter ihm.
    Bull versuchte, den Kopf zu wenden. Aber es gelang ihm nicht.
    Er hörte sanfte Schritte. Ein Mann kam um den Tisch herum und setzte sich auf den Stuhl an der gegenüberliegenden Seite.
    Reginald Bull erkannte ihn sofort.
    „Vai... lenstain...!" stieß er mit mühsam funktionierenden Stimmwerkzeugen hervor. „Also ... doch!"
    In Ozur Vailenstains Gesicht rührte sich kein Muskel.
    Die intelligenten Augen musterten Bull kühl.
    „Sie haben also schon Verdacht geschöpft?" erkundigte er sich.
    Bull bekam seine Zunge allmählich wieder unter Kontrolle.
    „Ich nicht", antwortete er. „Ironside."
    „Der „Mann hat einen scharfen Blick", konstatierte Vailenstain.
    „Sie bringen sich um Kopf und Kragen, Mann!" hielt Reginald Bull ihm entgegen. „Sie kommen hier nicht lebendig raus, darüber sind Sie sich im klaren, oder?"
    „Ich habe nicht die Absicht, hier zu sterben", antwortete Vailenstain.
    „Was wollen Sie überhaupt?"
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher