Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

0748 - Raphael, der Unheimliche

Titel: 0748 - Raphael, der Unheimliche
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
unterschätzt.
    Vor ihrer Wucht barsten die Dämme der Vernunft. Menschen, deren gesamtes Denken von der nackten Angst beherrscht wird, lassen sich durch die Androhung von Strafen nicht mehr zügeln.
    Tag für Tag kam es von neuem zu Rebellionen, und das Blutbad, das die Regierung anrichtete, um die Dinge wieder unter Kontrolle zu bekommen, nahm gigantische Ausmaße an.
    Nur eine kleine Gruppe von Menschen brachte es fertig, in dieser Zeit der blutigen Unvernunft den Verstand beisammenzuhalten. Gewiß: Die Zahl ihrer Mitglieder ging in die Millionen. Aber was war das schon im Vergleich zu den rund zwanzig Milliarden Menschen, die insgesamt auf der Erde lebten?
    Vater Ironsides „Logik des Glaubens" war ständig am Werk, um die Angst der Menschen zu lindern und die Exekutionskommandos der Regierung an der Ausübung ihrer entsetzlichen Aufgabe zu hindern. Ironsides Männer und Frauen, selbst Aphiliker, jedoch durch Ironsides Lehre von den Vorzügen der Verträglichkeit zusammengebunden, arbeiteten immer ungehemmter und mit um so größerer Bewegungsfreiheit, je mehr die aphilische Regierung damit zu tun hatte, Revolten zu bestrafen und zu verhindern.
    Die Arbeit, die die Leute von der LdG in diesen Wochen leisteten, würde in keiner Chronik erwähnt werden, denn die Erde hatte ihre letzte Chronik längst hervorgebracht. Aber darum ging es Ironside nicht. Er wollte Trost spenden und Schmerzen lindern.
    Nach dem Lohn dieser Welt fragte er nicht. Es genügte ihm schon, zu sehen, daß einer, der von selbstlosem Liebesdienst bisher wenig gehalten hatte, Seite an Seite mit ihm kämpfte und keine Gefahren scheute, um Dinge zu vollbringen, die er noch vor wenigen Monaten als „gehaltlose Sentimentalität" verächtlich abgelehnt hätte: Reginald Bull, Streiter gegen die Angst Das Hauptquartier der LdG befand sich jeweils dort, wo Vater Ironside und Reginald Bull sich aufhielten. Die beiden Männer hatten es sich angewöhnt, beweglich zu sein. Ihre Anwesenheit war überall dort erforderlich, wo die Regierung mit ihren blutigen Befriedungsmaßnahmen Schwerpunkte setzte.
    Gegenwärtig war das Hauptquartier der LdG in Shanghai.
     
    *
     
    Das Getto von Shanghai war eine Trümmerwüste, aus der hier und dort die Überreste einzelner Hochbauten wie Mahnmale hervorragten. Wie überall, hatte auch hier die LdG umfangreiche unterirdische Anlagen geschaffen, in denen sie ihren Aktivitäten nachgehen konnte, ohne vom Gegner eingesehen zu werden.
    Reginald Bull und Vater Ironside waren vor etlichen Wochen hier eingetroffen und hatten die Einsätze der LdG-Truppen geleitet, die sich hauptsächlich gegen Strafexpeditionen der Regierung entlang der Küste der Chinesischen See richteten.
    Zwei Tage zuvor war es in der Stadt Wenchou, etwa vierhundert Kilometer südlich von Shanghai, zu einer Revolte gekommen. Nichts Gutes ahnend, hatte Reginald Bull einen Stoßtrupp von knapp eintausend Mann zusammengestellt und auf die Reaktion der Regierung in Terrania City gewartet.
    Am Tag nach der Revolte war ein Konvoi von Lastengleitern gemeldet worden, der sich von Westen her Wenchou näherte.
    Reginald Bull hatte seine Truppen in Marsch gesetzt. Unmittelbar vor der Stadt stießen sie mit dem Gegner zusammen. Die Ladung der Lastengleiter bestand aus insgesamt fünfhundert K2-Robotern, die mit den Rebellen von Wenchou kurzen Prozeß hatten machen sollen. Sie kamen nicht dazu.
    Reginald Bulls Stoßtrupp, mit wendigen, stark bewaffneten Fahrzeugen ausgestattet, stürzte sich auf den Konvoi. Nur zwei feindlichen Gleitern gelang die Flucht, die übrigen wurden vernichtet.
    Am Tag danach kehrten die Kämpfer nach Shanghai zurück.
    Am Abend saßen Ironside und Bull in ihrem Quartier beisammen.
    Ironside, der einem guten Tropfen ebensowenig abgeneigt war wie Reginald Bull, hatte aus einem längst verlassenen Lager eine Flasche echten schottischen Whiskys aufgetrieben.
    „Garantiert zwanzig Jahre alt", schmunzelte er, als er das Eitkett des Glasitbehälters las. „Werden wohl noch vierzig hinzukommen. So lange liegt das Gelände schon in Trümmern."
    Reginald Bull nahm einen Schluck aus seinem Becher.
    „Hat dem Zeug nicht nennenswert geschadet", erklärte er anerkennend.
    „Wie hat sich Vailenstain gehalten?" fragte Ironside unvermittelt.
    „Wie ein Ritter ohne Furcht und Tadel", antwortete Bull, der an Ironsides Gedankensprünge mittlerweile so gewöhnt war, daß er sich nicht mehr über sie wunderte. „Ich weiß nicht, was in dem Kerl steckt, aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher